laut.de-Kritik
Am Rande von Mitternacht rettet dich der Flüsterer.
Review von Artur SchulzSchon erstaunlich: Was hat er nicht bereits alles für Nebenprojekte in Angriff genommen, neben seiner eigentlichen Heimat Wolfsheim, dieser Peter Heppner. Kollaborationen mit u. a. Joachim Witt, Paul Van Dyk, Schiller - doch eine gänzlich eigene CD war in all den Jahren noch nie darunter. Bis jetzt, woran gewiss auch der Disput mit seinem bisherigen Partner Markus Reinhardt seinen Anteil besitzt. Bahnbrechende Überraschungen in der Umsetzung seiner Eigen-Ambitionen bleiben indes aus: Heppner wandelt nicht auf artfremden Stil-Pfaden. Wozu auch? "Solo" fügt sich vielmehr rund und angenehm ins eigentliche Wolfsheim-Umfeld ein.
Ein wenig von Gaston Leroux' Erik, dem tragischen Phantom der Oper, hat Heppners Porträt auf dem CD-Cover schon: Die eine Gesichtshälfte von einem Tuch verdeckt, schaut dafür umso eindringlicher sein verbliebenes Auge dem Betrachter scharf fixierend ins Gesicht. Doch Peter Heppner verlangt nicht nach einer verzauberten Christine Daaé als Muse für seine Kunst - seine einzigartige, charismatische Stimme benötigt von jeher kein ergänzendes Medium. Und natürlich taugt der Sänger nicht zum rachsüchtigen Phantom - er verbleibt lieber in der Rolle des tröstlichen Flüsterers im Dunkeln.
Entwarnung also schon in den ersten Anklängen des zurückhaltend inszenierten Alben-Openers "Easy": Das ist eindeutig Peter Heppner-Sound in vertrauter Stilistik. Ausgelassene Heiterkeit war niemals ein Markenzeichen des Künstlers Doch mit der Single-Auskopplung "Alleinesein" gelingt Heppner ein Schlag gegen alle Klischees: Musikalisch geradezu mit heiteren Purzelbäumen ausgestattet, von flirrenden und leuchtenden Synthie-Kaskaden flankiert, tanzt der Song in unwiderstehlicher Manier durch die kalt glitzernde Starre eines - einst mit Goethes Erben besungenen - Glasgartens. Freilich: In den Lyrics schwingen sie stets mit, die dunklen Schatten, und vergessen ihre Aufgabe nicht.
Und so dominieren überwiegend Moll-Akkorde das Album, etwa in "Suddenly" oder dem unwiderstehlichen "Being Me", das mit seiner herzgreifenden Hookline hoffnungsvolle Morgensonnen-Strahlen über düstere Horizonte sendet. Ein Song wie "Vorbei" schließt nahtlos an vergangene Wolfsheim-Prunkstücke wie "Kein Zurück" an. Die "Künstlichen Welten" sind noch immer da, lauern und bedrohen nach wie vor, doch was können sie gegen den Schmelz und die bewegende Wahrhaftigkeit von Heppners Stimme ausrichten? Nichts bleibt ihnen übrig als der Rückzug, wenn der Sänger "Walter (London Or Manchester)" anruft, und mit dem schwelgerischen "Wherever" entgültig zum siegbringenden Schlag gegen die nimmermüden, nimmersatten Mächte der Finsternis ausholt.
Das Prinzip Hoffnung schwebt selbst durch dunkelste Akkorde und entführt auf sanften Synthie-Wogen vorbei an samtenen Vorhängen aus verwehten Techno-Klängen zurück ins rettende Licht. "Solo" tänzelt gefühlstrunken durch die Widrigkeiten der Welt, der Seele, des Herzens - doch wenn du stolpern solltest, sei ohne Furcht. Peter Heppner ist schon da, ergreift deine Hand, bevor du tatsächlich rettungslos hinabstürzt in unergründliche, schwarze Tiefen, an jenem unbarmherzigen und entgültigen Rande jenseits von Mitternacht.
12 Kommentare
"...."Alleinesein" gelingt Heppner ein Schlag gegen alle Klischees: Musikalisch geradezu mit heiteren Purzelbäumen ausgestattet, von flirrenden und leuchtenden Synthie-Kaskaden flankiert, tanzt der Song in unwiderstehlicher Manier"
"...oder dem unwiderstehlichen "Being Me", das mit seiner herzgreifenden Hookline hoffnungsvolle Morgensonnen-Strahlen über düstere Horizonte sendet"
"Ein Song wie "Vorbei" schließt nahtlos an vergangene Wolfsheim-Prunkstücke wie "Kein Zurück" an."
Artur Schulz. Bitte, wo bleibt denn der 4. Balken?
In letzter Zeit scheint dieses Phänomen immer öfter aufzutauchen. Schwelgerisch-lobende Worte, bis daß sich die Balken biegen und "schwupp" fällt einer hinten runter.
Ansonsten eine wirklich gelungene Review, also ein dicker Haken für meine Liste.
Warum wird immer angenommen, daß "nur" drei Punkte irgendwie eine negative Bewertung sei? Drei Laut-Punkte bedeuten ganz klar:
Eindeutig überdurchschnittliche Scheibe.
Da sind auf dem Album klare 4-Punkte-Songs, die schwelgen lassen. Aber auf ganzer Länge eben nicht so überwiegend häufig, daß auch das komplette Album darunter fällt.
Das muss höhere Mathematik sein.
@dein_boeser_Anwalt («
3/5.....4/5.....23/34....who the fuckk cares? »):
Ich. The Fuck.
Ich mein, wenn sich hier wirklich so viele darüber beschweren, kann man das nich ma in Betracht ziehen, die Skala auf 10 Punkte auszuweiten? Is doch kein großer Akt und bringt viel bessere Differenzierungen mit sich. Da bricht sich doch niemand nen Zacken aus der Krone damit. Wo is das Problem, das mal umzusetzen? Und warum müssen die User da monatelang rumquengeln?
Schade.
Rumquengeln tut doch keiner. Die Überlegung oder der Vorschlag kommt ab und an. Und wenn, dann auch in einem bestimmten Zusammenhang.
Die Redaktion sieht aber wohl keinen Grund, darauf einzugehen.
Es ist ja auch kein "must have", sondern eine Anregung, die man aufgreifen kann oder halt nicht.
Letztlich komme ich sicher mit dem System der 5 Balken klar.
5/5