laut.de-Kritik

Das Gegenteil von semi-poetischer Erbauungsprosa.

Review von

"Wir schulden euch gar nichts, aber ihr schuldet uns die Welt". Peter Licht erhebt Anklage gegen verantwortungslose Menschen, denen das Wohl der nachkommenden Generationen gleichgültig scheint, und am Ende singt ein Kinderchor gegen alle an, die ihre Zukunft so absolut unverantwortlich aufs Spiel setzen. In der Rezension zum Vorgänger "Beton und Ibuprofen" bemängelte ich noch, dass das Spiel des Kölner Songwriters mit der Ironie nicht synchron mit der wirklichen Realität läuft: "Alles Klar" heißt der Titel seines neuen Albums und verspricht dieses Mal die klare Benennung der Dinge. Die nicht enden wollenden Krisen dieser Welt gehen an einem Meister der humorvollen Abstraktion nicht spurlos vorüber: Kriege, gesellschaftliche Spaltungen, der Klimawandel.

Und doch war Peter Licht nie einer, für den Aufgeben oder Resignation Optionen waren. Auch, wenn in "Ich Seh Den Horizont" ein Saxophon die Moll-Grundstimmung betont. Die zuletzt groovenden Elektro-Eskapaden weichen einer nachdenklichen und sehr persönlichen Seite, die wieder mehr an frühere Platten wie "Melancholie und Gesellschaft" erinnert. Es sind warme Herbsttöne, in die man sich angesichts der Schieflage der Gegenwart tief einwickeln möchte. Das Ende ist auch hier nahe, aber in Lichts grundoptimistischer Haltung markiert der Horizont eben nicht das tatsächliche Ende des Meeres, auch wenn es für den Betrachter so aussieht.

In Lichts Welt gibt es eine grundsätzliche Dualität der Dinge. Eine poetische Welt, die zuweilen fast simpel erscheint, bis man über eine Himmels-Referenz auf Yves Klein stößt. Der Künstler proklamierte einst den Himmel als sein Eigentum und behauptete, ihn signiert zu haben. Andere betrachteten seine monochromen Abbildungen, grundsätzlich ohne Horizontlinie, als Affront.

Peter Licht hätte diesen Kunstbezug gar nicht so offenlegen müssen, aber die Art des Codierens wie sie etwa die Hamburger Schule auszeichnet, die gerne Trennlinien um die Sprache legte, blieb ihm stets fremd. Es ist eine greifbare Welt, deren Hintersinn sich manchmal erst später offenbart. Die Textebene bleibt, ganz dem Albumtitel entsprechend, angenehm deutlich. Der Kölner arbeitet dennoch verschiedene Perspektiven heraus, wie in "Klar (das bist du)". Klarheit als Moment der Epiphanie oder klar wie ein Kleber, mit dem sich ein Aktivist auf die Straße setzt.

Der "Baum im Fluss" umfasst dementsprechend Gedanken über die Schwermut, aber auch, wie die Sorgen verschwinden. Viel wichtiger ist aber, wie sehr man in das Stimmungsbild der Songs eintaucht und einen die leichten Folk-Pop-Harmonien mitnehmen. Die Lea-Lou-Laune-Befindlichkeitshölle des deutschsprachigen Pops bleibt einem erspart. Ein Glück, dass es in dieser Mehrheitsdiktatur der semi-poetischen Erbauungsprosa doch noch eigenwillige Künstler wie Peter Licht gibt, die gemeinsam mit Die Nerven und International Music den Herbst in Deutschland noch halbwegs erträglich machen.

Peter Licht ist eben der "Problemlöser" mit dem kindlichen Herzen, der direkte Fragen stellt und nach pragmatischen Lösungen sucht. Oder wie er am Ende in "Meine Welt" singt: "In der Höhle meines Herzens ist noch Platz." Und wer wie Peter Licht in all den Jahren nie zynisch wurde und noch immer träumt, hat davon wahrscheinlich noch sehr viel übrig.

Trackliste

  1. 1. Wir Schulden Euch Nichts
  2. 2. Klar (das bist du)
  3. 3. Ich Seh Den Horizont
  4. 4. Baum im Fluss
  5. 5. Schlaflos
  6. 6. Problemlöser
  7. 7. Deeperboosterballade
  8. 8. Einfaches Lied
  9. 9. Meine Welt

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