laut.de-Kritik
Wenn die Ironie an der Pandemie-Realität scheitert.
Review von Rinko HeidrichAutotune. Ein Aufschrei ging durch die Fangemeinde von dem wundersamen Songwriter PeterLicht, der bis dahin zwar mit Pop flirtete, aber doch mit der richtigen Portion Exzentrik relativ gefällig in der Indie-Ecke blieb. So ganz viel Liebe löste das polarisierende "Wenn Wir Alle Anders Sind" nicht aus, um so größer dürfte der Erleichterungsseufzer bei "Wenn Du Traurig Bist", dem ruhigen Folk-Einstieg in "Beton und Ibuprofen" sein.
Nick Drake-Depression schwebt über dem zarten Song, der doch mit Zeilen "Manchmal ist das Haus okay, es wohnen nur die falschen Leute drin" fast schon Mut macht. Oder meint er das nun doch wieder ganz anders? So ganz traut man dem Kölner Exzentriker, der das Spiel mit Ironie und Erwartung perfekt beherrscht und Interviewer auch gerne mal in den Wahnsinn treibt, dann doch nicht.
Und doch lässt sich bei der Tracklist ausmachen, dass "Verloren" und "Lost Lost Lost World" eine düstere Richtung als beim irren Kindergeburtstag vom letzten Mal anschlagen. Die Gravität unter den Füßen reißt auf jeden Fall ein Lo-Fi-Kracher wie "Beton Ist Schweres Thema" auf. PeterLicht, der doch so angekommen wirkte, schreit seinen Frust in dem wohl wütendsten Track seiner musikalischen Laufbahn heraus. Irgendwie so, als ob ihn das Maskenspiel selber abnervt und er einfach nur mal Lust auf simples Auskotzen hat. Die Demaskierung betreibt er ja schon mit seinem Äußeren schon länger. Wo jahrelang sein Gesicht auf Pressefotos nicht zu erkennen war, präsentiert er sich nur ausgerechnet im optischen Reifeprozess als brilletragender Professor-Typ.
Passt ja trotzdem zur Musik, die doch immer als Intellektuellen-Pop gilt, auch wenn das PeterLicht so gar nicht plante, und er auch eine fast kindische Lust am Ausprobieren mit Sprachen und Mustern hat. Das gesprochene Wort, die Lyrics waren eigentlich der Grundpfeiler, weniger die Musik, die seit "Melancholie und Gesellschaft" auch nicht verändert wurde. "Ibuprofen" könnte mit seiner Notwist-Schluffigkeit auch aus den Nuller-Jahren stammen. Ein bisschen Electro-Geplucker, lakonisches Gesumme und eine warm-gedämpfte Schmerzmittel-Wirkung - das hat schon zu Studenten-Zeiten funktioniert, und genau diese sympathische Egal-Stimmung ist auch heute noch das Paradies des Slackers.
Nicht so gut funktionieren erzwungen wirkende Positiv-Songs wie "Freunde" und "...e-scooter deine Liebe", die so gar nicht zur Stimmung zur Album passen. "Immer einen Schritt schneller als die Depressionen" aus "...e-scooter deine Liebe" klingt wie eine verzweifelte Optimismus-Parole, die witzige gemeinten Vocal-Effekte seltsam verkrampft auf Spaß bürstet. Der kleine und auch nicht bessere Bruder zu dem Lied heißt "Freunde" und stampft mit genauso ungelenk über den Parcours. Ja, da steckt sicherlich wieder ein hintersinniger Gedanke in dem Aufruf zum Zusammen kommen und grauen Wolken drin, aber es bleibt nun mal am Schluss ein harmloses Boggie-Lied.
So viel besser klingt "Lost Lost Lost World", auch wenn das den verhassten Autotune-Effekt verwendet. Aber den benutzt auch der geschätzte Bon Iver, und so wunderbar traurig-schön funktioniert auch dieses Gedicht, das im Spoken Word-Vortrag nur über sphärischen Sound und über das Leben philosophiert. Nie angestrengt intellektuell, eher der Monolog eines Menschen, der immer noch sehr viele Fragen an diesen bekloppten Planeten hat und (noch) nicht kapituliert.
Warum das Album diesmal nicht Liebe auslöst, erklärt eine gewisse Routine. Die Sounds und Themen sind mittlerweile erwartbar geworden, und das ist bei einem Songwriter wie PeterLicht, der eben genau mit Erwartungen bricht und gerne sprachliche Grenzen auslotet, schon eine kleine Enttäuschung. Dass ihm der angsteinflößende Pandemie-Realitätsschock auch noch die Ironie-Parade hinein fährt, ist natürlich nicht seine Schuld.
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