laut.de-Kritik

Zwischen Fitness-Studio und tiefergelegtem Golf.

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Auf seinem zweiten Soloalbum "Onkel Der Nation", bleibt der Ruhrpottler Pillath seinem Onkel-Thema treu und setzt auf Altbekanntes. Ihn treiben immer noch dieselben Themen wie vor einem Jahr auf "Onkel Pillo" um, und immer noch beschäftigt ihn sein Onkelstatus. Man könnte fast meinen, er wolle so immer nur am Rande der Rap-Familie eine Rolle spielen, doch das scheint ihn wenig zu stören.

Die Produktion überlässt Pillath fast ausschließlich Gorex. Der hat schon beim Vorgänger seine Finger mit im Spiel gehabt und drehte unter anderem auch für MoTrip und Kay One an den Knöpfchen. Lediglich ein Beat stammt nicht aus seiner Feder.

Die ersten Töne erklingen. Das Intro des Titeltracks soll einen großen Auftritt ankündigen, fühlt sich aber eher nach 2005 an. Wir bekommen einen kurzen Abriss über Pillaths Werdegang, damit auch wieder jeder weiß, wo wir gerade stehen.

"Ich Bleibe" beginnt mit etwas Klaviergeklimper und holt dann mit einem Bass zum Schlag aus, der definitiv unerwartet kommt. Der Beat macht Laune, Pillath Ansagen: "Ich mach' aus dem Gesicht deiner Mutter einen Sitzsack / Gern geschehen." Punchlines hat er auch nach über zehn Jahren noch drauf.

Die erste Singleauskopplung "Wie Ein Onkel" kommt trappig daher. Es wirkt ein wenig, als renne der stolze Gelsenkirchener den Trends hinterher. Er erzählt von Flusen auf dem Anzug, Wettbüros und Rabatt auf Zigarettenstangen. Nicht unbedingt Inhalte, die die junge Trap-Generation ansprechen. Thematisch eher etwas für die Älteren, mehr so für Onkels.

Auf "Willkommen Im Affenhaus" rechnet Pillath über einen fast schon clubtauglichen Beat: "Such' dir irgendeine Zahl aus zwischen vier und acht / nimm hundert und addiere das, quadriere das / meinetwegen zieh' von dieser Zahl noch vierzig ab / dann weißt du wie viel' Schwänze deine Mutter schon gestriegelt hat." Er teilt aus, auch in Richtung der jüngeren Rap-Generation: "Ich ficke keine Mütter auf mein' Songs / Ich ficke Mütter auf ihr'm Wäschetrockner." Onkel Pillo erzählt dir nichts, Onkel Pillo macht halt einfach.

Nach dem Gewummse fährt der Sound erst einmal runter. Ein ziemlich entspannter Beat aus der 808-Büchse ummantelt die Moralkeule. Zusammen mit PA Sports wettert Pillath gegen Saunaclubs besuchende Familienväter, AfD-Befürworter und von Ehre faselnde Brüder ("Sie Schämen Sich Nicht"). Der erste Featuregast ist gut gewählt, bringt aber den Nachteil mit, dass Pillath im direkten Vergleich irgendwie klobig und holpriger wirkt.

Es folgen wieder Ansagen. "Hier ist Punchlines Vater, du Bauer, knie nieder / die Augen sind grün, Haut braun wie Pegida." Die Antwort auf die im Titel gestellte Frage "Wer ist es?" gibt Pillath gleich in der ersten Line. Er verteilt Schellen, Ruhrpott-Style.

Mit "Richtig Korrekt" erreichen wir den Höhepunkt des Albums. Ex-Kompagnon Snaga geht mit an den Start, und die beiden machen, was sie am besten können: austeilen: "Es gibt im Himmel nicht so viele Sterne wie in Deutschland blasende Rapper." Beide zusammen entfalten deutlich mehr Wirkungskraft als Pillath allein. Man merkt, dass die Harmonie immer noch stimmt. "Passé" klingt wie die sieben Tracks zuvor.

Wäre das Album hier zuende, könnte man meinen: Da hat jemand sein Ding durchgezogen und solide abgeliefert. Leider vergessen die Leute immer, dass man aufhören soll, wenns am schönsten ist. Es folgen nämlich noch weitere sechs Songs, die den bisherigen recht positiven Eindruck komplett zunichte machen.

Schon im Intro von "Kein Bisschen Reifer" klingt an, dass ein Sido-Feature und zugleich der einzige Song kommt, den Gorex nicht produziert hat. Wie gefühlt alle Sido-Tracks seit "Ich & Meine Maske" geht es hier ums Erwachsensein. Langweilig und austauschbar, schon nach den ersten Tönen vollkommen belanglos.

Auf "Stummer Schrei" mutet R.E. an wie ein Mark Forster für Arme, eine 08/15-Rap-Ballade aus dem letzten Jahrzehnt. "Und in Zeiten, in denen sie das Schicksal straft / in ihr Ohr zu flüstern: Schatz ich bin für dich da ..." Solches blässt mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Hoffentlich ist es bald vorbei.

Mit "Ärger In Der City" folgt ein relativ unauffälliger Track mit Manuellsen. Anlauf für das Finale? Die letzten drei Nummern werden jedenfalls noch einmal richtig schlecht. Unter Beihilfe unangenehm anbiedernder Gitarrenriffs klärt Pillath seine Hörer über die Lebenszustände der unteren sozialen Schichten im Ruhrpott auf ("Hilfe").

Der nächste Beat basiert auf Irish Folk, und dann rappt auch noch jemand: "Ich fick' und guck' dabei nicht auf die Uhr so wie 'ne gute Nutte." Wirklich? Zu Musik à la Santiano? Das Ganze ist so absurd, dass die verteilten Ansagen auf "Keine Gegner Mehr" dann auch irgendwie unglaubwürdig erscheinen.

Der letzte Song geht noch einmal theatralisch in die Vollen. "Ein Mann Ein Wort" hat alles, was ein beliebiger Rap-Song braucht: Kinderchor, Piano und die Message, dass Pillath ja wohl der Einzig reale sei, alle anderen im Game falsch und nur aufs Geld aus. Natürlich.

Pillath bleibt seiner Linie treu, sowohl bei den Themen als auch bei seinem Freundeskreis. Weiterentwicklung sieht anders aus, kompakter wäre besser gewesen. Soundtechnisch bewegt sich der "Onkel Der Nation" zwischen Fitness-Studio und tiefergelegtem Golf. Da genügend Leute genau diesen Sound wollen: bestimmt trotzdem kein Ladenhüter.

Trackliste

  1. 1. Onkel Der Nation
  2. 2. Ich Bleibe
  3. 3. Wie Ein Onkel
  4. 4. Willkommen Im Affenhaus
  5. 5. Sie Schämen Sich Nicht Feat. PA Sports
  6. 6. Wer Ist Es?
  7. 7. Richtig Korrekt Feat. Snaga
  8. 8. Passé
  9. 9. Kein Bisschen Reifer feat. Sido
  10. 10. Stummer Schrei feat. R.E.
  11. 11. Ärger In Der City feat. Manuellsen
  12. 12. Hilfe
  13. 13. Keine Gegner Mehr
  14. 14. Ein Mann Ein Wort

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