laut.de-Kritik
So warm und wohlig wie ein Feuer im Kamin.
Review von Anne NußbaumWer den Begriff "Classic Rock" mit Schmonzetten-AOR à la Bon Jovi und Goo Goo Dolls assoziiert und nun instinktiv die Hände schützend über die Ohren legt, darf sich bitte nicht ins Bockshorn jagen lassen: Zwar frönen Plants And Animals auf ihrem zweiten Werk dem "Post-Classic Rock", wie sie ihren Sound selbst nennen. Doch die Betonung hierbei liegt auf "Post", und statt Stadion-Schnulzenkönige der 90er kommen einem Rock-Heroen der 60er und 70er in den Sinn.
Die hat der Dreier aus dem Dunstkreis um Arcade Fire, Wolf Parade und den Stars nämlich durchaus im Blut: Neil Young, Jim Morrison und Pink Floyd schimmern durch, wenn Warren Spicer, Matthew Woodley und Nicolas Basque in die Saiten schlagen.
Das Feedback vibriert in der Luft, Gitarrenpickings zucken über der frenetischen Stimme. Das Schlagzeug kräftig, der Bass breit, die Vocals emotional bis ironisch: So geben sich Plants and Animals auf "La La Land". Mit psychedelisch angehauchten Rockgitarren, groovigen Basslines, folkigen Melodien und klassischem Inventar von Piano über Trompete bis zur Violine experimentiert das Trio, setzt zum Abheben an und verliert doch nie die Bodenhaftung.
Wir schon: Zu kleinen Luftsprüngen möchte man ansetzen, wenn "Swinging Bells" in ein hippieskes Saiten-Solo irgendwo zwischen Jimi Hendrix und The Shins mündet, um dann pfeifend und wie selbstverständlich in gut gelaunten Upbeat und unwiderstehliches Saxophon, gespielt von Arcade Fire's Colin Stetson himself, überzugehen. "I want to be your American Idol!" Unbedingt.
Traurig breiten sich Streicher, Klavier und Gitarre auf den wunderschönen Balladen "Game Show" und "Undone Melody" zu weiten Moos-Melodieteppichen aus. Unversehens möchte man sich in den schützenden Schatten hoher Tannen zurückziehen und auf dem warmen Boden Kanadas zusammenrollen, die Welt um sich vergessen und ungehemmt der Melancholie frönen.
Den Bogen zwischen A- und B-Seite schlägt ein Piano-durchsetztes Outro, das von "Game Show" zu "The Mama Papa" überleitet. Letzteres zappelt sich sofort in alle Glieder: Die Melodie eingängig, der Rhythmus im Uptempo und die Cowbell auf Krawall gebürstet, dazu Verse wie "They only did it to say that they had done it" - da bleiben keine Wünsche offen.
Von Montreal aus begeben sich Plants And Animals einige Male auf Reisen: "Kon Tiki" scheint die staubige kalifornische Sonne auf den Pelz, "Fake It" schaukelt bis zum postrockig epischen, düster hallenden Ende über die Seine, und zum Closer "Jeans Jeans Jeans" cruist die Band auf den dreckigen Straßen zurück Richtung San Francisco.
Leicht angekifft schlagen sich "Celebration" und "Future From The 80s" ihren Weg in unser Herz frei. Charaktervoll und intensiv wie ein guter Rotwein, knisternd und herzerwärmend wie ein Kaminfeuer, eckig und kantig wie ein alter Holztisch - man fühlt sich sofort zu Hause auf "La La Land". Die raue Schönheit der Heimat ist immer und überall präsent, ob in den Fuzz-Effekten, dem wehmutsvollem Klavier oder den geerdeten Percussions.
Organisch und trotzdem experimentell, ohne Geltungssucht und Popverlangen, produziert das Trio eine Wohltat an mal brodelndem, mal rohem, mal heimeligem Sound, der nach der Wärme einer Holzhütte vor der Kulisse erhabener Bergketten und dichter Wälder klingt. Ausgereifter Indie-Rock at its best.
Noch keine Kommentare