laut.de-Kritik
Minimalistische Elektro-Sounds und Raps flirten miteinander.
Review von Daniel StraubStefan Betke ist kein Mann der großen, mit viel Pathos aufgeladenen Gesten. Zum Popstar taugt er deshalb überhaupt nicht. Er hält sich gerne im Hintergrund, spielt seine Persönlichkeit so weit wie möglich herunter, zieht sich in seine Musik zurück. Seine Releases spiegeln diese Haltung wider und strahlen eine schlichte Schönheit aus. Auch "Pole", das inzwischen fünfte Album von Betke, huldigt wieder einer funktionalen Ästhetik à la Autechre, die dieses Mal aber nicht mehr so absolut gesetzt wird, wie noch auf den Vorgängeralben. Organische Sounds und gerappte Lyrics stoßen die Tür zu Klangwelten auf, die Pole bisher verschlossen geblieben waren.
Langsam schleppend, ja schon beinahe schwerfällig wälzen sich die klaren Beats des Openers "Slow Motion" aus den Boxen. Kein Knarzen, kein Rauschen, nichts stört den reinen Klang. Das ist die erste Überraschung an Stefan Betkes fünftem Album, der in der Vergangenheit gerade die ungewollten Knarz- und Knackgeräusche von Synthie, Filter und Sampler zu seinem Markenzeichen erhoben hatte.
Wenn kurz darauf Fat Jon seine Raps über den Beat legt, ist die zweite Überraschung perfekt. Die Musik von Pole hat eine Stimme bekommen. Beinahe scheint es, als erfinde sich Pole auf "Pole" mit jedem Track neu. "Bushes (There's A Secret Behind)" klingt mit seinem sanften Rauschen schön analog und erinnert damit an ältere Releases, wagt mit seinen Saxophonparts jedoch gleichzeitig den Crossover in jazzige Gefilde. Das sind schon eine ganze Menge an Neuerungen für eine Platte.
Doch Betke wird sich selbst und seiner Vergangenheit nicht ganz untreu. Vertrackte Beats holpern unregelmäßig vor sich hin, kurze Fetzen von Melodie verschaffen dem angestrengten Ohr eine schnell vorübergehende Erholungspause. "Like Rain" weckt Erinnerungen an alte Tage, ohne dabei altbacken zu klingen. Insgesamt bilden Tracks wie "Like Rain" aber die Ausnahme auf "Pole". Bei den meisten Songs sorgt Fat Jon für den lockeren Flow, rappt lässig vor sich hin, muss sich jedoch immer den Sounds von Betke unterordnen. Eine eigene Dynamik kann er kaum entwickeln. Das ist schade, denn so kommt er über weite Strecken daher, wie ein Tiger, dem man die Zähne gezogen hat.
Trotzdem bleibt das fünfte Werk aus Betkes Berliner Studio ein gewaltiger Schritt in eine neue Richtung hin zu einer organischen Ästhetik, die auch dem Mensch seinen Platz zuerkennt und nicht nur der Ideologie der Musikmaschinen huldigt.
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