laut.de-Kritik
Knisternde Rotweinstimmung wie bei den frühen Calexico.
Review von Ulf Kubanke"Oh, what do we hold, dear?" Sanft lädt ein warmes Timbre zu Melancholie und Romantik am knisternden Lagerfeuer. Die Akustische spielt lediglich ein paar Allerweltstöne, entwickelt aber in Kombination mit Geige und zerbrechlichem Frauengesang erhebliche Rotweinstimmung. Verhuscht und intensiv beginnt der Poor Nameless Boy sein drittes Studioalbum "Bravery".
Dahinter verbirgt sich keine echte Band, der Name ist das Alter Ego von Joel Henderson. Seine Begleitmusiker erhalten im Booklet keinerlei Credits. Der gesamte Fokus ruht allein auf des Kanadiers überwiegend untypischer Roots-Mischung aus Country, Folk und einer Prise Jazz. Die Scheibe ist immer dann besonders stark, wenn Henderson sein zweifellos überdurchschnittliches Singer/Songwriter-Talent hoch- und den Country-Anteil herunterfährt. Diesen dimmt er so weit, bis das jeweilige Lied fast zum stehenden Gewässer wird. Sehr laid back und im stimmlichen Ausdruck mitunter ein Bruder der frühen Calexico oder auch von Damien Rice.
Inmitten des hektischen Unbills unserer aus den Fugen geratenen Welt verharrt Poor Nameless Boy so ungerührt wie ein Felsen. Neben dem Titelsong funktionieren besonders das lässige "Dream Boat", das introvertierte "I'm Not Going Anywhere" oder das desillusionierte Finale "Leave Myself Behind".
Leider bewegen sich die Lieder nicht durchgehend auf diesem Niveau. Die Höhepunkte wechseln sich mit konventionellen Stücken von der Heuschober-Stange ab. "Atlantic Ocean" oder "30 Photographs" etwa sind im Vergleich unspektakulär. So schwankt man beim Hören von "Bravery" konstant zwischen "Repeat" und "Skip". Dennoch bringt Joel Henderson das Rüstzeug mit, einer der ganz Großen zu werden.
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