laut.de-Kritik

Nach acht Millionen Twitter-Followern endlich das Album.

Review von

Der Papst ist Popstar: Kreischende, vom Rundfunk übertragene Massen, wo immer sich der Stellvertreter Petri auf Erden zeigt. Eine Entwicklung, die im Pontifikat des so genannten ersten Medienpapstes Johannes Paul II. ihren Anfang nahm. Wer nun am 13. März 2013 mit Abermillionen anderen vor den TV-Geräten gespannt darauf wartete, wer aus dem Konklave heraus auf die Loggia des Petersdoms treten würde, konnte miterleben: Von medialer Inszenierung verstehen sie etwas im Vatikan.

Jorge Mario Bergoglio, der sich den programmatischen Namen Franziskus gab, ist heute selbstverständlich auch in den sozialen Medien präsent und blickt zum Beispiel auf acht Millionen Twitter-Follower. Weshalb also, sollte es von ihm nicht auch ein Popalbum geben? Zumal diese Ehre bereits seinen Vorgängern Benedikt XVI und Johannes Paul II zuteil wurde ("Alma Mater", 2009).

"Wake Up!" enthält Auszüge aus Reden und Predigten des Papstes seit 2013 in vier Sprachen (italienisch, spanisch, englisch und portugiesisch). Sie stammen aus dem Archiv von Radio Vatikan. Italienische Musiker und Produzenten (u.a. der Progressiverocker Tony Pagliuca) fügten neu arrangierte, christliche Lieder zwischen "Pop und Rock, über Latin und gregorianischen Gesängen bis hin zu elektronischen Klängen" hinzu, heißt es.

Die Betonung liegt auf 'hinzufügen', denn abgesehen vom insgesamt religiösen Ursprung kann von einer organischen Einheit von Text und Ton keine Rede sein. Zumindest gewinnen Franziskus' Worte aufgrund der Musik nicht an Wirkung, zu den relativ beliebigen Instrumentals im Untergrund könnte man letztlich alles rezitieren.

Die Platte beginnt am 13. März, "Annuntio Vobis Gaudium Magnum": Der neu gewählte Papst spricht erstmals zu den Gläubigen auf dem Petersplatz. Esoterik-Pop, Gregorianik, Weltmusik, Orchestrales und Chöre schmiegen sich an den Hörer. Zwischendurch hört man Franziskus sprechen. Dieses Stück oder auch "Poe Que' Sufren Los Ninos" stehen exemplarisch für den auf Albumlänge folgenden Mischmasch.

Die Stücke, wie immer man sie auch stilistisch einordnen möchte, stehen im Prinzip für sich alleine, Franziskus wird dazu eingeblendet. Glockenhelle Chöre, eine engelsgleiche Mädchenstimme oder ein sanftes männliches Organ: Alles schön sakral gehalten, sonst wären die Worte des Papstes noch weiter von der Musik entfernt als ohnehin schon.

"Salve Regina" lässt mit Querflöte einen Hauch Orientalik erahnen. Das rhythmische "Cuidar El Planeda" könnte der Vatikan auch zum Eurovision Song Contest nach Stockholm schicken. Und man würde wirklich gerne wissen, was der Papst davon hält, wenn er sich in dem rockigsten Stück "Wake Up! Go! Go! Forward!" selbst hört. Nötig hat er das nicht, wahrscheinlich würde er am Ende aber milde lächelnd die Hand zum Segen ausstrecken.

Für diese CD mit ihrem 24 Seiten starken Booklet leuchtet nur ein Motiv ein: Die emotionale Wirkung von Musik soll die Bindung der Gläubigen an die katholische Kirche und den Heiligen Stuhl noch intensiver und im Wohnzimmer erlebbar machen. Gleichwohl dürfte die Hauptzielgruppe die katholische Jugend sein und solche, die mal dazu gehören wollen - die Papst-Ansprachen stammen zumeist von Auftritten vor Jugendlichen. Allen anderen Musikfans gibt diese Platte nichts.

Trackliste

  1. 1. Annuntio Vobis Gaudium Magnum
  2. 2. Salve Regina
  3. 3. Cuidar El Planeda
  4. 4. Poe Que' Sufren Los Ninos
  5. 5. Non Lasciatevi Rubare La Speranza!
  6. 6. La Iglesia No Puede Ser Una Ong!
  7. 7. Wake Up! Go! Go! Forward!
  8. 8. La Fa Es Entera, No Se Licua!
  9. 9. Pace! Fratelli!
  10. 10. Per La Famiglia
  11. 11. Fazei O Que Ele Vos Disser

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