laut.de-Kritik
Die Kuh melken, so schnell, so hart und so lange es geht.
Review von Dani FrommIm dreizehnten Jahr von "Deutschland sucht den Superstar" sollten einen Scham- und Lieblosigkeit, mit der die Verantwortlichen den frisch gekürten Gewinner auspressen, eigentlich nicht mehr schocken. Dem Finale folgt hopplahopp das Siegeralbum. Schnell, schnell, ehe die ohnehin gering dosierte Aufmerksamkeit auch schon wieder verflogen ist.
Wie viel Herzblut Fließbandproduzent Dieter Bohlen auf ein Album verwendet, das er dem jeweiligen Gewinner innerhalb einer guten Woche - höhö, guter Witz! - auf den Leib schreibt, liegt auf der Hand. Sehr viel kann es ja schon angesichts der Kürze der Zeit nicht sein. Okay, da Prince Damien schon lange vor Staffelende aggressiv zum Gewinner hochgejazzt wurde und seine Konkurrenz, insbesondere Mitfinalistin Laura van den Elzen, massive Steinbrocken in den Weg gelegt bekam, hatte der "Superstar"-Macher in diesem Jahr vielleicht ein paar Tage länger, um sich auf den neuen Goldesel einzustellen.
Eine Notwendigkeit, ein individuell erscheinendes Produkt zu liefern, hat sich daraus offenbar nicht ergeben. Same procedure as every year, James. Was jeder weiß, weil es ohnehin offen zutage tritt, könnte man ja auch einfach zugeben: Joah, wir melken die Kuh, so schnell, so hart und so lange es irgend geht, machen Hack aus dem ausgelutschten Fleisch und lassen den Rest achtlos fallen. Derlei Ehrlichkeit würde mir vielleicht einen Funken Rest-Respekt abringen.
Aber, nö. Statt dessen schwadronierte sich Bohlen schon in der Sendung einen ab, wie viel Aufwand er doch betrieben und wie viel Mühe ihn insbesondere der deutsche Text des Siegersongs "Glücksmoment" gekostet habe. Echt, jetzt? Und dann kam das dabei raus? Das tut mir leid. Was in der allerersten Zeile mit einem schiefen Bild anhebt ("Mein Herz schlägt lauter als ein Megafon." Wie laut schlägt denn so ein Ding?), wird im Verlauf nicht besser:
Über einen Elektrobeat, der das große "Can't Get You Out Of My Head"-Gefühl beschwört, singt der neue Prince sinn- und zusammenhanglose Plattitüden von Flügen ins All, "schwerelos durch Raum und Zeit", muss "Überschall" auf "kleiner Ball" reimen und die höchst originelle Empfehlung erteilen: "Hör' auf dein Herz", Herzen lügen nämlich nie. Gehts noch gebrauchter?
"Lass' die anderen lästern, was sie wollen." Alter! Man lästert nicht etwas, man lästert über etwas. Oder über jemanden. Dann müsste es heißen: "Lass' die anderen lästern, worüber sie wollen." Wahlweise: "... über wen sie wollen." Sollte der Text auf die Qualität des Lästerns abzielen, hieße es: "Lass' die anderen lästern, wie sie wollen." Hemmungslos, zum Beispiel. Oder gemein. Einem deutschen Muttersprachler, der vorgibt, sich für diesen Text verausgabt zu haben, hätten solche Ungereimtheiten, die dem Hörer mit dem nackten Arsch vor dem Gesicht herumwackeln, eigentlich auffallen müssen.
Tatsächlich bleibt der Refrain von "Glücksmoment" im Ohr, zugleich aber auch der Ärger darüber, mit welch halbgarem Schnellschuss RTL und Universal da wieder Taschengeld aus Teenie-Sparschweinen abrippen. Jedes Jahr glaube ich, armseliger gehts nicht mehr. Ich irre mich jedes Jahr.
Die Tracks auf "Glücksmomente" scheint Dieter Bohlen aus Mias "Tanz Der Moleküle", "Atemlos" und besagtem "Can't Get You Out Of My Head" zusammengeschustert zu haben. Synthie-Fingerschnippen allüberall. Wenns zwischendurch nachdenklich klingen soll: Klavier, is' klar. Ergibt: eine Pop-Schlager-Platte mit dezentem Elektroanstrich, die mühelos ins Ohr geht, da man ja alle Bestandteile bereits anderswoher bestens kennt.
Das könnte einigermaßen schmerzfrei vonstatten gehen, gestalteten sich die Texte nicht gar so erbärmlich. "Mich hält keiner auf, wenn es um dich geht. Ich geb' niemals auf, es ist nie zu spät." Anders als "Lass' mich deine Welt verändern, ich trage dich auf Händen" reimt sich das wenigstens, genau wie "zurück" auf (Ja, Bohlen macht das tatsächlich!) "Stück vom Glück".
Geil? Sagt man das heute noch? Dachte, Bruce & Bongo haben das Mitte der 80er final abgefrühstückt und nur Udo Lindenberg hat es nicht mitbekommen ... Auch da kennt Bohlen kein Pardon: Er schiebt Prince Damien einen Song namens "Wie Geil Ist Das Denn?" unter und lässt ihn sich die Antwort gleich selbst geben: "Einfach Nur Geil".
So einen Blödsinn könnten unterschiedslos auch Helene Berg oder Andrea Fischer mit Formationstänzergrinsen präsentieren: "Mit dir war es leise, mit dir war es laut, wir haben gemeinsam" - da wars wieder! - "geile Filme geschaut. Mit dir war ich oben, mit dir war ich down. Wir sind hoch geflogen durch Zeit und Raum."
Fliegen muss Prince eine ganze Menge, weswegen allenthalben von Wolken, der Sonne, dem Himmel und den Sternen die Rede ist. Als biete die deutsche Sprache maximal zwanzig Vokabeln, gibts dazu jeweils ein Herz, Träume oder gleich die Ewigkeit. Aber was, bitte, ist denn ein "Regenschein"? Das is' ja kreativ, Mann, mindestens so crazy wie ins Gesicht geleimte Plastiknieten.
Die stereotypen Liebesschwüre, die Bohlen seinem Prinzen in den Mund legt, müssen Zuschauern, die dessen Weg beim Casting von Anfang an verfolgt haben, doppelt unglaubwürdig vorkommen: "Ich bleibe bei dir bis zu meinem letzten Atemzug." Ob Prince solches auch an den Knaben hingesülzt hat, mit dem er einst frisch verliebt zum Vorsingen erschien?
Nachdem seine Begleitung easy-breezy aussortiert wurde und beim späteren "Superstar" gerade noch als "mein Kumpel" ein einziges Mal am Rande Erwähnung fand, dürfte der sich von der aufgebotenen Lyrik noch derber verarscht fühlen als jeder andere der deutschen Sprache halbwegs mächtige Mensch. Statt des hastig abgelegten Lovers darf in "Solang Mein Herz Noch An Dich Denkt" Igor Barbosa mitsingen.
Für "Wir Heben Ab" gehen gleich noch einmal alle Top-sechs-Kandidaten gemeinsam an den Start. Praktisch, die touren jetzt ja auch zusammen. Ein "Superstar" alleine zieht wohl nicht mehr genug Publikum? Das lässt hoffen, dass das Format irgendwann vielleicht doch seinem Ende entgegentrudelt. Bitte! Lasst es endlich sterben!
15 Kommentare mit 47 Antworten
Wer macht bei dem Scheiss überhaupt noch mit? Ein Star wird man sowieso nicht, das weiss wohl auch der letzte degenerierte 13 jährige mittlerweile, und heute ,nach der gefühlten 25. Staffel, kennt nichtmal mehr jemand die Namen von den Gewinnern.
Es wird immer genug Leute geben die auf so nen Müll reinfallen, glauben nicht arbeiten zu müssen und RTL abnehmen Stars werden zu können.
Alles mit RTL Qualitätsstempel hat nicht mal ne 1/5 verdient.
einspruch. ich kenn die alle.
warum sich da immer noch leute verheizen lassen, wo doch inzwischen wirklich jeder trottel wissen müsste, wie der hase läuft, versteh ich allerdings auch nicht.
weil die hoffnung bekanntlich zuletzt stirbt.
"so einen wie dich hatten wir noch nie! aus dir machen wir ne internationale (lach)nummer!"
bitte nur hier unterschreiben unter "mache mich zum uneingeschränkten Eigentum der RTL Mediengruppe...[...] nein du darfst keine Nacht drüber schlafen. Das ist deine EINmalige Chance..."
weil sich leute für nichts zu schade sind, um ihre fresse für eine gewisse zeit ins tv bringen zu können.
Ganz einfach, das "bei mir ist anders"-Prinzip; was auf gewöhnliche Straftaten zutrifft, sollte auch für Musikverbrechen gelten.
Immerhin winkt ja eine Trash-TV-Karriere als Zwischenrufer bei "Die 25" oder als höchste Auszeichnung die Teilnahme am Dschungelcamp. Bringt alles wesentlich mehr Kohle ein als das, was wir Normalsterblichen so verdienen, und das bei wesentlich weniger "Arbeit"...
Abgesehen davon gibt's für den Gewinner 500000€...geschickt angelegt, kann man davon viele Jahre gut leben. Lohnt sich. Dann noch während des ersten Hypes möglichst viel zusätzlich abkassieren und zack..., ausgesorgt für ein Leben.
Wenn interessiert da eine nachhaltige Karriere im Musikgeschäft...
Man bekommt Kohle und zumindest mehr Aufmerksamkeit als der Durchschnittsbürger. Für manche Menschen mag das der Traum sein (vor allem wenn die beruflichen Alternativen nicht viel hergeben).
Barkeeper ist doch ein ehrenwerter Job?
https://www.youtube.com/watch?v=GuhIlBmn1CQ
Ungehört 5/5
Perfektes Beispiel dafür wie schlimm Mainstream sein kann.
Das ist der Bodensatz des Menschenmöglichen, quasi das musikalische Äquivalent eines Konzentrationslagers. 1/5
Ein Platz in der Liste der besten Hasskommentare 2016 ist dir sicher.
Die Schoah zu verharmlosen ist auch ein menschlicher Tiefpunkt. Glückwunsch Santi, du hast dich unter dem RTL-Niveau durchkatapultiert.
Moment, was passiert hier schon wieder? Ich wittere die nächste Grundsatzdebatte.
Den hab ich sicher schon mal irgendwo liegen lassen, aber das macht nichts
https://www.youtube.com/watch?v=NxeDKqbRre0
@mundanus
Jeder hat ein Recht darauf doof zu sein. Embrace it!
"das musikalische Äquivalent eines Konzentrationslagers"
Also ist die Musik betoniert, umzäunt? Wurden Menschen in diese Musik deportiert?
Sorry, aber diesen dümmlich-haarstraäubenden Vergleich kann keiner Ernst nehmen - wenngleich ich deine Antipathie zur besprochenen Musik aber durchaus nachvollziehen kann...
Der niedrigste menschliche Tiefpunkt (im rudivöllerschen Sinne) ist es aber, den ehrwürdigen Namen des Morpho zu missbrauchen. Schande!
Ansonsten:
"Sorry, aber diesen dümmlich-haarstraäubenden Vergleich kann keiner Ernst nehmen"
Dann macht es doch bitte nicht.
Puh, und ich dachte schon, Morpho sei schwul geworden.
Der war auch nicht dazu gedacht, ernst genommen zu werden.
Trotzdem kurz ernsthaft: Mir geht es um die Höhen und Abgründe, die der menschliche Geist und in der Folge seine Praxis erreichen kann. Das ist der Vergleichsaspekt, kein anderer. Und zur absoluten Barbarei zählt für mich ein KZ ebenso wie dieses Album oder Speedis ganzes Dasein. Allgemein gesagt: Faschismus und Kulturindustrie haben ideologisch einiges miteinander zu tun. Wer den Holocaust als einmaligen Atavismus quasi metaphysisch überhöht, anstatt ihn als Auswuchs der damaligen (und nicht nur damaligen) Kultur zu begreifen, läuft Gefahr, in der Zukunft für parallele Entwicklungen blind zu sein. Deshalb haben solche Vergleiche durchaus ihre Daseinsberechtigung, auch wenn dieser hier, wie gesagt, nicht dazu gedacht war, sonderlich bewusstseinsschärfend zu wirken.
So grauenhaft die dargebotene Musik auch sein mag, würde ich die Herrschaften doch sehr bitten solche Vergleiche sein zu lassen.
Millionenfaches Leid ist keine Comedy und Volksverhetzung kein Kavaliersdelikt.
Zieh Leine und lass dir mal von einem richtigen Anwalt erklären, was Volksverhetzung ist - ich bleibe #unbesiegt.
Schwach. Hättest du nicht wenigstens für die industriell geprägte Hypereffizienz bei gleichzeitigem Unterlaufen bezugssystemimmanenter Grundregeln als Vergleichskategorie argumentieren können? (Das gälte dann allerdings wohl nicht mehr für Speedi.)
@Santi: Dein pseudo-intellektuelles Geschreibsel ist genauso sinnfrei wie das, was Speedi sonst so ablässt. Ist jetzt aber nur der Vergleichsaspekt.
Das wäre dann die Konkretisierung meiner allgemeinen Aussage, denn das ist ja eine der angesprochenen ideologischen Schnittstellen.
@Pseudo-Morpho: Von jemandem, der den Namen eines Ehrenmannes in den Dreck zieht, muss ich mir gar nichts sagen lassen.
Alle zusammen Rattenfänger mit zu kleiner Flötte. Nix los zuhause, durftet ihr mal wieder nicht ran an eure Alte? Bier alle? Aldi dicht? Ach ja stimmt ja, Montags macht das Arbeiten nicht ganz frei!
@Santi: Nächstes Mal einfach Hirn einschalten bevor du irgendeinen Unsinn schreibst, ja?
Nee, ich bin gegen Selbstzensur.
Dann habe ich dir vielleicht doch noch das eine oder andere zu sagen.
Speedi, du bist Dada. Weitermachen.
oh mein Gott..wer sich überreden lässt so einen Käse zu singen, der hat es nicht besser verdient.
hier ein kleiner Auszug aus Glücksmoment:
Mein Herz schlägt lauter als ein Megafon,
ich will mit dir jetzt auf und davon.
Ja nur weit weg, ganz tief ins All,
die Sterne leuchten für uns überall.
Hör auf - dein Herz, Herzen lügen nie.
Hör auf - dein Herz, das Weltall ist dein Ziel.
Grauenhafte Texte..
Und wer schon mal mit seinen Anwälten zu tun hatte, weiß auch, dass der Typ nicht nur kein "Superstar" ist, sondern charakterlich verdorben.
Von allen DSDS Siegeralben ist das hier das schlimmste und zwar mit Abstand. ich habe aus neugier mal in den song "Süßes ding" reingehört und war danach echt traumatisiert.