laut.de-Kritik
Ein Mittelfinger für die Erwartungshaltung.
Review von Manuel BergerMittelfinger, Slipknot-Shirt, Softdrink – das Coverfoto fasst die Ausrichtung Princess Nokias gut zusammen. Etwaige Erwartungshaltungen kümmern Destiny Frasqueri nicht. Das bewies sie bereits durch die stilistischen Sprünge zwischen "Metallic Butterfly", dem unter Eigennamen veröffentlichen "Honeysuckle" und dem zum Debütalbum ausgeweiteten "1992". Statt wie zuletzt aggressiv aufzumucken, igelt sie sich nun ein, geht weg vom Rap. Passende Stichworte zum Mixtape lauten: Pop, Indie, Bubblegum, Emo.
Millennial-Emo-Kapellen würden wohl dankend annehmen, falls sich Sad Girl Nokia mit ihren Texten bewerben würde. "Everyone I love has an expiration shell / Everyone I love leaves me when I need them most", seufzt sie in "Your Eyes Are Bleeding". Jedes Wort hallt in Autotune-Echo-Schleifen wider. Die Catchphrase "Smash my heart in pieces / It looks so good on the floor" schleppt sie gar mit in den Folgetrack "For The Night". Über den noch vorhandenen Trap-Elementen der Beats liegt eine dicke Synthieschicht Melancholie-Pop.
Ein Soundtrack zum Ritzen ist "A Girl Cried Red" trotzdem ganz und gar nicht. Musik und Text verkörpern eher Schaufenster-Melancholie als Depression. Echte Schwere fehlt den acht Tracks, sie hören sich fast schon zu harmonisch und leicht weg – als wolle Nokia unterstreichen, dass es sich auf merkwürdige Weise gut anfühlen kann, sich der eigenen Schwermut hinzugeben. Dass im Zentrum des Tapes mit "Look Up Kid" ein luftiger Indierocker steht, der dann wirklich rein gar nichts mehr mit Hip Hop zu tun hat, passt da vortrefflich ins Bild.
So wie sie im Zuge der neu gefundenen Dauerharmonie die stilistische Varianz von "1992 Deluxe" abstreift, streift Nokia auch jegliche Aufmüpfigkeit ab – selbst wenn sie in "At The Top" gegen Shittalker und Missgönner austeilt. "I got everything I want without anybody else / Do you think I give a fuck? / Only care about myself", heißt es dort mit monotoner Gleichgültigkeit in der Stimme und kantenlosem Mid-Tempo-Beat. Der Track veranschaulicht, dass Nokia in ihre Texte mehr als eindimensionale Emo-Sentimentalität packt. Schon auf "Honeysuckle" (2015) zeigte sie lyrisches Talent auch abseits offensiv verschossener Statements.
Große Wellen schlagen wird "A Girl Cried Red" zwar nicht. Dafür sind die acht Songs zu unscheinbar. Seinen Zweck erfüllt das Mixtape als Beweis für die kreative Ungebundenheit Princess Nokias, deren Repertoire nun um einige Facetten bunter schimmert. Abgesehen davon hätte sie wohl mit nichts ein selbstbewussteres "Fuck you, I do what I want" formulieren können als mit diesem verletzlichen Wohlfühl-Tape.
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