laut.de-Kritik
B.B. King wäre stolz.
Review von Manuel BergerPristine waren mit Blues Pills auf Tour und sie klingen auch wie Blues Pills. Wem das zum Abkanzeln reicht, braucht man gar nicht mehr weiterlesen, geschweige denn -hören. Retro-Rock halt – kennt man, gibt's viel, kommt eh nicht an die Originale ran. Soweit so richtig, warum Pristine allerdings im Verbund ihrer Kollegen trotzdem herausstechen, wollen wir im Folgenden erkunden.
Ja, der Opener "You Are The One" könnte quasi eins zu eins auf einer Blues Pills-Platte stehen. Die Sängerin klingt gleich, der Song hat alle Trademarks, nur die Produktion müsste man vielleicht ein wenig anpassen. In letzterer Hinsicht agieren Blues Pills nämlich ein wenig polierter. Je weiter man jedoch in "Ninja" eindringt, desto mehr Facetten offenbaren sich und desto deutlicher wird, dass Pristine an diversen Stellen noch ein Stück weiter gehen als Blues Pills.
Kompositorisch mag "Ninja" nicht außergewöhnlich sein, sondern spielt sich im soliden Durchschnitt ab. Die Band hangelt sich an Grobstrukturen entlang, die manchmal durchaus schöne dynamische Steigerungen aufweisen ("Jekyll & Hyde"). In flotten Songs gibt ein Gitarrenriff die Marschrichtung vor ("The Rebel Song"), bei ruhigeren herrscht in der Regel etwas ausdifferenziertere Anteilnahme. So liegt unter "The Perfect Crime" durchgängig ein fast sakral anmutender Ruheteppich – ausgehend von Tastenmann Anders Oskal (oder Benjamin Mørk). Die "Jekyll & Hyde"-Strophe teilen sich Orgel, Bass und Schlagzeug mit sexy Downtempo-Groove.
Erfrischend: Den Rock-Anteil reduzieren die Norweger gerne auf ein Minimum und bieten dem Blues wesentlich mehr Raum als man es im Retro-Haufen gewohnt ist. "The Perfekt Crime" beispielsweise ist ganz alte Schule und konzentriert sich auf sehr grndlegende, clean gehaltene Strukturen. Im Vordergrund stehen zunächst Heidi Solheims Vocals, die zweite Hälfte füllt dann ein Gitarrensolo Espen Elverum Jacobsens. Der besticht durch ein seltenes Verständnis davon, welch ungeheure Kraft genutzte Pausen haben können. B.B. King wäre stolz auf ihn.
Auch mit "Ghost Chase" verlassen Pristine die ausgetretenen Pfade und spielen mit Tönen, bei denen ich mir auch nach mehrmaligem Hören nicht sicher bin, ob sie nun von echten Trompeten stammen oder von geschickt eingesetztem Volume-Regler-Spiel an der Gitarre. Gemeinsam mit der im Song prägenden Slide-Gitarre sorgt es jedenfalls für entspannte Vibes, zu denen nicht nur der Fuß wippt.
Trotzdem gehört der Großteil der Show Heidi Solheim. Ohnehin ist sie Hauptsongwriterin und schneidet die Lieder entsprechend auf sich zu. Während sie in den Uptempo-Songs eine starke, aber halt im Genre auch relativ normale Röhre präsentiert, kommt ihre Variabilität und ihr Feeling – wie auch das der Instrumentalisten – vor allem in den ruhigeren Stücken zur Geltung. Dann klingt sie nämlich nicht mehr nur wie Elin Larsson, sondern fast ein wenig nach Adele. "Forget" schielt dann mit hohem Harmoniegesang Richtung Dream- und Singer/Songwriter-Pop.
Pristine müssten eigentlich nur einen Weg finden, diese Differenziertheit auch in die Rocker zu übersetzen. Denn sobald sie ein bisschen Gas geben, versinken die Songs in Austauschbarkeit. Das macht zwar immer noch Spaß und vermittelt ein gutes Gefühl, könnte aber eben auch von ziemlich vielen anderen Bands stammen und wird damit schnell egal. Dennoch: Wer einfach Bock auf nahrhafte Vintage-Kost hat, kann bei "Ninja" bedenkenlos zuschlagen.
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