laut.de-Kritik
Ein solides Steckdosenmassaker.
Review von Ulf KubankeDie selbst ernannten Philosophen des Darkwave schlagen zu: Nach knapp einem Vierteljahrhundert Bandgeschichte und fast 20 Studioalben sind Project Pitchfork eine Institution mit eingebauter Chartsgarantie. "Black" geht den eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Fans der erleuchteten 'Hamburger Elektroschule' werden das geschmackvoll angerichtete Gotendinner sicherlich lieben.
Wer jedoch eine Entwicklung musikalischer Natur erwartet, wird enttäuscht. Die Puppenschnur-Routine von Meister Spilles garantiert einerseits unterhaltsame Genreperlen, verrät andererseits die Ausgelatschtheit so manch eingeschlagenen Szenepfades. Nicht selten landet man in den eigenen Fußstapfen.
Verglichen mit der frühen Phase der Hanseaten hat der Sänger das klapperdürre Genöle im Gesang mittlerweile entsorgt. Sein herunter gedimmter Monstergesang, den man für Darkwave-Verhältnisse gelegentlich fast schon als Growls bezeichnen kann, zieht sich wie ein akustischer Faden durch die Platte. In den konsequentesten Momenten klingt er fast schon wie eine Art Steckdosen-Carl McCoy, freilich ohne dessen charismatische Stimme erreichen zu können. Spaß macht es dennoch.
Die Lieder bewegen sich nahezu ausnahmslos zwischen knochigem EBM, gelegentlichen Future Pop-Tupfern und der geschickt geborgten Dynamik von Industrial-Rock. Innerhalb dieses Korsetts ist durchaus noch Raum für klangliche Nuancen.
"Drums Of Death" beispielsweise stampft sich durch die Synapsen. "Enchanted Dots Of Light" ist demgegenüber ein Track gewordener Autoscooter, der jedem Rummelplatz gut zu Gesicht stünde. Und "Acid Ocean" verleiht dem Cocktail den typisch pathetischen Pop-Appeal angedunkelter Eingängigkeit, der in schwarzen Kreisen gern goutiert wird. Einmal mehr echte, clevere Hitqualität.
Kompositorisch stehen Licht und Schatten ganz nah beieinander. Lahme Allerweltslieder wie "Midnight Moon Misery" oder "Nil" stolpern als Füllmaterial durch den Pitchy-Kosmos. Die verkrampfte Dramaturgie rettet solche Lahmheiten keine Sekunde, sondern unterstreicht noch deren mediokre Einfachheit. Zu viel Ödnis einer hybriden Mottenkiste zwischen Dark-Pop und Elektro-Industrial-Rock. Sowas kriegen die Epigonen auch hin.
Dem gegenüber stehen angemessen ansprechende Klopper, die vor allem auf der Tanzfläche super funktionieren. "The Circus" bohrt sich als geschickter 'belgischer EBM-Klon' lässig in den Hörer und darf dort gern bleiben. Der beste Song bleibt gleichwohl das etwas krude "Contract". Spilles grunzt sich mit Death Metal-Voice durch ein gut abgehangenes Minijuwel. Mit der schleppenden Melodie bei mehreren addierten Synthiethemen erlangt das Stück eine dramatische Tiefe, die als Höhepunkt des Albums durchgeht.
Bei den Texten hingegen sieht es überwiegend gewohnt düster aus. Doch das ist kein gothisches Kompliment. Der stets bauchladenhaft vorgetragene Anspruch eines synkretistisch-spirituellen Aufklärers und Philosophen hat Spilles bei PP ohnehin nur mit der tatsächlich lyrisch wie transzendental gebildeten Patricia Nigiani (Aurora Sutra) in der "IO" Phase in den 90ern einlösen können. Pitchforks Erweckungsgeleier erschöpft sich seitdem immer öfter auf dem Sprachniveau à la "I love variety, disagree with society" oder dem vor Klischees triefenden Text von "Rain". Ausnahme: das leider nur als Gedicht sehr gelungene "Midnight Moon Misery".
An echte Großtaten unter den Erleuchtenen wie etwa Peter Murphys Dust, Current 93 oder die nicht minder weltklasse verfassten Zeilen eines Gonjasufi reicht er als lediglich solider Texter nicht heran. Verglichen damit finden sich PP - trotz missionarischen Eifers - eher bei Nena wieder. Lediglich das Verwenden der weniger offensichtlichen englischen Sprache rettet hier vieles vor dem Absturz ins Plakative. Wer darauf jedoch keinen Wert legt, erhält ein mehr als solides Steckdosenmassaker.
1 Kommentar
Grad mal in Rain rein gehört. Die erste Minute gibt schon den Kurs gen Schlager an. Das Video dazu auch recht kitschig. Die können es besser...