laut.de-Kritik
Vor der Heiligen Maria fällt der Jetset-Rapper auf die Knie.
Review von Dominik LippeErst vor wenigen Wochen wurde ihm eine besondere Ehre zuteil. Das Forbes Magazine, Protz-Postille für monetäre Längenvergleiche, porträtierte RAF Camora und führte durch seine unternehmerischen Erfolge. Eine Künstler- und eine Brand-Agentur, ein Buchverlag, ein Tonstudio, ein Kleidungslabel, eine Vodka- und E-Shisha-Marke, ein Tattoo- und Barbershop sowie diverse Immobilien summieren sich zu einem Nettovermögen von 50 Millionen Euro, wie das Magazin errechnete. "Musik ist mein Hauptgeschäft, und das läuft so erfolgreich wie nie", versicherte der Deutschrap-König Midas vorsichtshalber.
Den eindrucksvoll aufgelisteten Geldregen quittierte RAF Camora auf den dazugehörigen Artikelfotos mit einem Gesichtsausdruck, der sich irgendwo zwischen genervt und gelangweilt einpendelt. Es ist diese Freudlosigkeit, die sein jüngstes Album "XV" durchzieht und die Hörerschaft trotz bemühtem Club-Sound von der Tanzfläche an die Theke treiben müsste. Seine Vorstellung von Pop-Musik ist distanziert, ja, emotional entrückt und frei von der Selbstironie, nach der die Jetset-Figur, die er darzustellen versucht, eigentlich lechzt. Selbst einen Liebessong wie "Anna" trägt er betäubt vor.
Mit der obligatorischen "RR Edition" ergänzt der Rapper nun sein Werk um elf Songs, die das "Intro (XV RR)" passend zusammenfasst. The Cratez und The Royals liefern den zuversichtlichen Sound, während RAF Camora um die Welt fliegt und sexuelle Dienste in Anspruch nimmt. Soweit bekannt, doch schon hier schränkt er vereinzelt ein: "Die Welt ist schlecht, die Welt ist Dreck." Es ist die gleiche vorgetäuschte Tiefe wie bei Apache 207. "Ich Zahl" trumpft wortwörtlich mit einer Was-kostet-die-Welt?-Attitüde auf, prangert aber zugleich an, wie viel "Ballast" und "Narben" er trage, wie viele "Tribute" er bezahlt habe.
Vor allem dank der Produktion fällt "Toxisch" positiv aus dem Rahmen. Beataura hüllt RAF Camoras Verse in eine Unterführungs-Atmosphäre, die er in Eurodance-Tradition mit einem in cartooneske Höhen gepitchten Stimmsample von Bebe Rexhas "I Can't Stop Drinking About You" vermengt. Damit fängt er die entlang von Anziehung und Zerstörung balancierende Beziehung ein. Schon in "Frei" schießt er sowohl die Partnerin als auch den Produzenten in den Wind. Die üblichen Beatschrauber lassen seichte Selbstgenügsamkeit fließen, zu der sich der Rapper wiederholt einredet, es gehe ihm gut.
Den Gipfel des Aberwitzes erklimmt RAF Camora, wenn er sich an "Gebete" klammert. Zum grüblerischen Gitarrenspiel blickt die "Heilige Maria an der Zimmerwand" missbilligend auf ihn herab, während er glaubt, sich intensiv zu reflektieren. "Zu viel Gewissen, um ein Sheytan zu sein. Zu böse für ein' Heiligenschein. Also was bin ich?", fragt er kniend den Allmächtigen, bis es aus ihm herausbricht: "Sag mir, was soll ich tun? Was soll ich tun?!" Nun ja, eine Möglichkeit bestünde etwa darin, sich schlicht anständig zu benehmen, ohne gleich den Ansprüchen eines Heiligen gerecht werden zu müssen.
Eben suhlte er sich noch tränenreich in der eigenen Überforderung, schon trifft er in "Game" wieder "ein mieses Model", das es zu verhöhnen gilt. "Die Schlampe, sie macht es gratis." Ganz im Gegensatz zum vorherigen, titelgebenden "Model", das über Tinder, Instagram und OnlyFans "easy Geld" mache und anschließend die sensiblen Feingeister verspotte: "Sie lacht über wen du kennst." So bleibt es fast schon genreüblich müßig, einen inneren Zusammenhang ausfindig zu machen. Am Ende läuft es in "C.R. - Exclusive" auf die eine simple Wahrheit hinaus: "Bin am Cover der Forbes, hab' alles gefickt."
5 Kommentare mit einer Antwort
Wofür steht RR? Richtiger Rotz?
Wirklich der ultimative Soundtrack zum Hauptschul-Pausenhof.
Wo gibt es diese Schulform noch? Die gehen doch jetzt alle aufs Gym.
Mir fehlen da so langsam echt die Raben, kann das nicht gutheißen!
Kernschrott. Musik für Craze, MannIn und den dummen Hai
Ich feier den Song Traum, schon bisschen älter, aber real talk. Matrix und all night hör ich auch ab und zu.