laut.de-Kritik
Willkommen zu Ritchie Blackmores viertem Frühling!
Review von Ulf KubankeWillkommen zu Ritchie Blackmores viertem Frühling! "Memories In Rock" ist eine Serie aktueller Live-Mitschnitte, aufgezeichnet nach der kürzlich erfolgten Wiederbelebung. Teil eins bot Aufnahmen aus Deutschland und legte den Schwerpunkt auf Stücke der frühen Ära mit Dio. Die Fortsetzung "Memories In Rock II" beleuchtet daneben auch spätere Rainbow-Jahre, flankiert von ein paar Deep Purple-Evergreens. Als Kirsche auf der Torte gibt es hier zusätzlich den ersten, neuen Studiotrack nach fast 25 Jahren des Wartens.
40 Jahre nach Bandgründung stampften Ritchie Blackmore nebst Gattin Candice Night (Blackmore's Night) folgendes Lineup aus dem Boden: Ritchie Blackmore (Gitarre); Ronnie Romero (Vocals); David Keith (Drums); Bob Nouveau (Bass); Jens Johanssen (Keyboards); Candice Night (Backing Vocals) und Lady Lynn (Backing Vocals). Im Sommer 2017 spielten Rainbow drei charismatische Shows in London, Glasgow und Birmingham. Die Hintergründe hierzu schildern sie auf der Bonus-DVD mit zahlreichen Interviews und ein paar Fan-Gimmicks.
Somit liegt nichts näher, als die Essenz ihrer Konzerte auf Doppel-CD zu pressen. Da Blackmores Spiel über jeden Zweifel erhaben ist, steht und fällt die Frage "Braucht man das?" vor allem mit der Performance Ronnie Romeros. Und der in Madrid lebende Chilene macht einen verdammt guten Job!
Auf den ersten Blick ist die Aufgabe recht undankbar. Zu groß scheint die Gefahr, dass altgediente Rockologen mit verschränkten Armen, gezückter Braue und mitleidigem Blick nach den fünf prägenden Sängern Dio, Ian Gillan, David Coverdale, Graham Bonnet und Joe Lynn Turner rufen. Ronnie Zwo jedoch erobert die Lieder des stimmlich so unterschiedlichen Quintetts regelrecht. Er hat den Spirit der Ikonen drauf, vermeidet gleichwohl sklavisches Kopieren und besitzt genug Individualität für den eigenen Stempel. Ganz große handwerkliche Leistung, die sich mit Romeros spürbarer Liebe zu den Liedern paart.
Im Zusammenspiel mit den ausnahmslos exzellenten Instrumentalisten entsteht eine Kette mitreißender Passagen für Veteranen wie Frischlinge. Sie polieren die Klassiker wie altes Tafelsilber, dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um erdige Tracks wie "Mistreated"/"Man On The Silver Mountain" oder die später gen Melodic Rock/AOR tendierenden Stücke von "Down To Earth" etc. handelt. Alles durch die Bank weg total oldschool, dennoch keine Sekunde lang altbacken. "Come and make me holy again!"
Inmitten all dieser Pracht thronen zwei Könige. "Temple Of The King" vom 1975er Debüt ist eine oft übersehene Schönheit, selten aufgeführt und ein Stiefkind unter den großen Rockballaden dieser Welt. Endlich kommt es hier zum ebenso überfälligen wie verdienten Einsatz. "There in the middle of the circle he stands, searching, seeking ..."
Der zweite ist Russ Ballard, seines Zeichens Alltime-Friend von Blackmore, Kernstimme des Melodic Rock und einer der wichtigsten Songwriter des Genres. Rainbow machten seine hier vertretenen "I Surrender" und "Since You've Been Gone" zu Top Ten-Hits.
Besonders letzteres ist eine der kuriosesten Nummern der Rockgeschichte. Dank diverser Wechsel entstand ein einmalig inzestuöses Besetzungskarussell. Ballard veröffentlichte das Original bereits Mitte der 70er. Graham Bonnet sang es 1979 für Rainbow und ebenso in den 80ern für seine einflussreiche Hardrockband Alcatraz. Dort spielte Yngwie J. Malmsteen, der den Track in seine Solokarriere trug. Für Malmsteen sang es Joe Lynn Turner, der den Song zwischendurch bereits ebenfalls für Rainbow/Deep Purple schmetterte und bis heute in Soloshows zum Besten gibt.
Nun schließt sich der Kreis bei dieser Konzertreihe, wo Ballard als Ehrengast in London an der Seite von Rainbow die Bühne entert. "Since you've been gone, you cast your spell so break it."
Als Zugabe und Finale fungiert die brandneue Studionummer "Waiting For A Sign". Ein durchaus nett vor sich hingroovender Track mit ebensolcher Melodie. Im Vergleich zum vorherigen Schaulaufen ist der Song jedoch höchstens dahinplätscherndes Mittelmaß. Denn trotz aller spielerischen Klasse des Teams hört man, dass es keine echte Bandkomposition ist, sondern einfach nur ein auf Rainbow getrimmtes, verzichtbares Blackmore/Candice Night-Liedchen.
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