laut.de-Kritik
Lebenslustig und morbide: kauziger Kammer-Folk.
Review von Martin LeuteIn der Musikpressse geistert der Begriff Euro-Folk umher, der den Einzug folkloristischer Traditionen europäischen Liedguts in das musikalische Schaffen diverser Bands beschreiben soll. Auch auf diese spannende englische Band lässt sich diese Bezeichnung durchaus anwenden, nur schwingt neben Walzer-, Polka- oder Gypsie-Anleihen auch eine Menge Americana mit.
Da drehen sich die Songs zwischen Freak- und Antifolk, Vaudevillepop und der cineastischen Klangästhetik eines Tim Burton-Films trunken im Kreis. Der sympathisch schräge Gesang des Sängers und Masterminds Oly Ralfe bahnt sich in diesem skurrilen Ambiente immer wieder liebenswert holprig seinen Weg.
Stellt man sich eine Synthese der überdrehten Theatralität eines Richard Swift oder Danny Cohen und der zärtlichen Unmittelbarkeit von Iron vor, dann landet man annährend bei der Ralfe Band. Trefflich hat ein Freund der Band deren Sound als "psychopatic folk-waltz-music" bezeichnet. Auch gut.
Kommt der Opener "Open Eyes" mit klassischem Folk-Picking, Schlagzeug und flirrender E-Gitarre ziemlich erdig und mit Pavement'scher Prägung daher, entfacht die Gitarre in "Stumble" einen langsamen Walzertakt - die nostalgisch tönende Orgel und das Spinett fiepen, während Oly eine unaufgeregte Melodie intoniert.
Diesem großartigen Indiefolk folgt mit "Big Head" ein verträumt gespenstisches, auf dem Piano basierendes Instrumental. "Mirror Face" baut eine Wüsten-Atmosphäre à la Howe Gelb auf. Mit brüchigem Gesang pendelt "Platform Boy" zwischen Folk und Cabaret, ehe mit "Attics" eine quirlige wie schräge Polka-Nummer mit osteuropäischem Flair folgt.
Das Instrumentarium aus Mandoline, Bass, Piano, Violine, Bläsern und diversen Schlagwerken entfacht immer wieder eine einnehmende Stimmung, die von der Lebendigkeit zur Melancholie wechselt.
Die vom Piano geführten, ruhigeren Stücke "St. Mark's Door" und "Lost Like Gods" entfachen ihren Charme mit wunderbaren Melodien und mehrstimmig vorgetragenen Textpassagen. Das unterhaltsame Werk dieser Band schließt mit dem gutlaunigen "Queen Of Romania" ab, das Karussell dreht sich ein letztes Mal.
Die Ralfe Band zelebriert einen kauzigen Kammer-Folk in Lo Fi-Manier, dem weder Morbidität noch Lebenslust fremd sind. Diese eigenwillige und zauberhafte Musik schließt prächtig an die von ähnlich gearteten Ensembles wie den Bowerbirds oder The Miserable Rich an und sollte Neo-Folk-Fans begeistern.
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