laut.de-Kritik
Fünf Stunden Rock'n'Roll warten: Hey Ho, Let's Go!
Review von Daniel StraubEs ist erst einige Tage her, dass Johnny Ramone, begleitet von Familienangehörigen und Freunden wie Rob Zombie und John Frusciante, in Los Angeles den Kampf gegen den Prostata-Krebs verlor. Von den ursprünglich vier Mitgliedern der Ramones hält nun nur noch Drummer Marky Ramone das Vermächtnis der wichtigsten Punkband aller Zeiten am Leben.
"Raw" zeichnet auf fünf Stunden wild kompiliertem Celluloid die Karriere von den bescheidenen Anfängen im New Yorker Untergrund bis hin zur Aufnahme der Ramones in die Rock'n'Roll Hall of Fame im Jahr 2002 auf sympathisch unterhaltsame Art und Weise nach. Herzstück der prall bepackten DVD ist eine Dokumentation, die die Karriere der Ramones in groben Zügen skizziert.
Das geschieht nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern folgt einer eigenen, eher intuitiven Dramatik. Klassiker von den Ramones wurden von Marky Ramone, der einen Großteil des Backstagematerials aus seinem umfangreichen Filmarchiv beisteuerte, und Regisseur John Cafiero mit Anekdoten aus der über zwanzigjährigen Rock'n'Roll-Geschichte der New Yorker Band garniert.
Die Ramones gefallen sich auf "Raw" offensichtlich bestens in der Rolle der Chronisten. Und schreiben ihre eigene Geschichte auf eine zu gleichen Teilen sympathische wie ehrliche und bodenständige Art. Kein Spur von abgehobenen Starallüren.
So bekommt es Sänger Joey Ramone gar mit der Angst zu tun, als Fans in Südamerika den Bus der Ramones mit allem, was halbwegs fahrtüchtig ist, durch die Stadt verfolgen, und gibt ihnen statt Autogrammen gute Tipps mit auf den Weg: "Be careful, watch the road!". Wie ein treu sorgender Vater kümmert sich Joey um seine Fans. Das ist so rührend wie ehrlich.
Selbst bei Fernsehauftritten, wie in der äußerst skurrilen Uncle Floyd Show im Jahr 1979 oder bei einem Besuch in einer Kinderfernsehshow geben sich die Ramones gerade heraus. Nichts wirkt dabei aufgesetzt oder inszeniert. Die Ramones haben Promo-Geschwätz nie nötig gehabt. Wenn sie keinen Bock auf eine Frage haben, geben sie schlicht keine Antwort und sind dabei ganz sie selbst.
Die Ramones sind Originale, roh und unbehauen, aber immer menschlich. Gerade diese kleinen Filmschnipsel heben "Raw" aus der großen Masse an DVDs heraus, die sich mit öden Konzertmitschnitten oder langatmigen Interviews über die Spielzeit retten.
Unter den Bonus-Features finden sich dann noch ein halbstündiger Livemitschnitt aus Rom, aufgenommen 1980, ein Auftritt in Howard Sterns Fernsehshow, noch mehr aus dem Kuriositäten-Kabinett des trashigen Uncle Floyd sowie allerlei Szenen, die es nicht in die eigentliche Doku geschafft haben.
Gastauftritte von Hollywood-Sternchen Drew Barrymore, Lemmy "Motörhead" Kilmister und Al Lewis, besser bekannt als blutsaugender Grandpa aus der Fernsehserie "The Munsters", runden das fünfstündige Rock'n'Roll-Paket ab. Wem das noch nicht reicht, der kann sich auf die Suche nach insgesamt zwölf gut versteckten Ostereiern machen ...
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