laut.de-Kritik
Donald Trump glänzt hier durch Abwesenheit.
Review von Giuliano BenassiKaum zu glauben, dass schon wieder neun Jahren seit seinem letzten regulären Album "Harps And Angels" (2008) vergangen sind, denn Randy Newman ist als Soundtracklieferant für Kino und TV musikalisch aktiv wie eh und je. Dazu kam 2016 der dritte Teil der Interpretationen eigener Stücke am Klavier.
Songs zu schreiben ist für ihn eine handwerkliche Tätigkeit, die er meisterlich beherrscht. Doch Auftragsarbeiten sind das eine, Stücke für die eigenen Alben das andere. Seine Beobachtungsgabe und Analysen sind gestochen scharf, sein schwarzer Humor und seine Gabe, Sachverhalte in die kurze Dauer eines Stücks zu packen, einzigartig.
Was auch für viele der Stücke seiner vorliegenden elften Soloplatte gilt (die erste, "Randy Newman", erschien 1968). Das mit der Kürze trifft auf den Opener nicht zu, denn mit über acht Minuten ist es das mit Abstand längste Stück seiner Laufbahn. Es gilt auch, wichtige Fragen zu beantworten: Was ist mit der dunklen Materie, die dem Album seinen Namen gibt, der Evolution, der Erderwärmung? In einer fiktiven Talkshow sitzen auf der einen Seite gut bezahlte, weit bekannte Wissenschaftler, auf der anderen strenggläubige christliche Gruppierungen.
Während die einen versuchen zu argumentieren, antworten die anderen mit Gospeleinlagen. Als das nicht hilft, beschimpfen sie ihre Gegenüber wüst, Newmans inklusive. Das Treffen endet mit einer Werbeunterbrechung.
Antworten liefert das Stück natürlich nicht, doch beschreibt es treffend das Diskussionsklima in Newmans Land. Ganz im Gegensatz dazu die intime Szene im folgenden "Brothers", in dem Präsident Robert Kennedy und sein Bruder Jack 1961 Abends im Büro sitzen und bei einem Whisky den Stand der Dinge diskutieren. Die Washington Redskins hätten noch nie einen schwarzen Spieler gehabt, eine Schande. Wie wäre es dazu mit einer geheimen Intervention in Kuba, um die Regierung zu stürzen? Schließlich seien die Russen da ziemlich aktiv, außerdem sei da diese fabelhafte Sängerin, Celia Cruz, die es zu retten gelte.
Musikalisch untermalen den letzten Teil des Stücks karibische Klänge. Pauken und Trompeten begleiten dagegen "Putin", Newmans sarkastische Abrechnung mit dem russischen Präsidenten. "And when he takes his shirt off / He drives the ladies crazy / When he takes his shirt off / Makes me wanna be a lady" stellt er pseudobegeistert fest.
Das Stück erschien bereits 2016 bei der Veröffentlichung zum "Songbook Vol. 3". "It's A Jungle Out There" ist sogar noch älter, war es doch ab 2004 das Erkennungslied der TV-Serie "Monk". Die Neufassung ist länger als das Original, deshalb der Zusatz "Version 2" (obwohl schon in der TV-Serie verschiedene Versionen zum Einsatz kamen).
Das deutet darauf hin, dass Newman über Jahre Stücke gesammelt und weniger auf strenge Aktualität geachtet hat, zumal er das eine oder andere bereits seit Jahren live vorträgt. Der große Abwesende des Albums ist demnach Donald Trump, der eigentlich ein gefundenes Fressen für Newman wäre. Wie er auch selbst zugibt, doch die Wahl zum Präsidenten habe ihn vollkommen überrascht. Außerdem habe er sich ja bereits 1972 in "Political Science" mit dessen Einstellung auseinandergesetzt: "We give them money / But are they grateful / No, they're spiteful / And they're hateful / They don't respect us / So let's surprise them / We'll drop the big one / And pulverize them".
Mögen sich Newmans Beobachtungen nicht verwirklichen. Zumal das andere Thema des Albums die Liebe ist. Ein Liebeslied zu schreiben, das nicht von Klischees strotze, sei schwierig, erkennt Newman, vollkommen zurecht. In "Lost Without You" erinnert er sich an die letzten Tage seiner Mutter, erzählt aus der Perspektive seines Vaters. Rührend, wie er sich, von Selbstzweifeln und Angst vor dem schwarzen Loch von seinen Kindern (also Newman selbst) anhören muss, dass er sich nicht genügend bemühe. "Even if I knew which way the wind was blowin' / Even if I knew this road would lead me home / Even if I knew for once where I was goin' / I'm lost out here without you", lautet die erste und letzte Strophe.
In "She Chose Me", ein Gedanke, der ebenfalls auf seine Mutter zurückgeht, wundert sich Newman, warum sich seine Frau ausgerechnet für ihn entschieden habe, einen Einzelgänger, der nicht gerade gesprächig sei. "From time to time / I ask myself why was it I and not someone else / The most beautiful girl in all over the world /And she chose me", singt er. Schon etwas schnulziger, aber in Ordnung.
Das Album hat sogar noch mehr zu bieten. "Sonny Boy" ist eine Hommage an den Blues-Sänger Sonny Boy Williamson I, der 1948 mit 34 unschuldig in eine tödliche Schießerei geriet und dessen Name samt Repertoire von einem Sänger übernommen wurden, der in den 1960er Jahren in England einen großen Einfluss auf Jimmy Page und die dortige Blues-Szene ausübte. "Now I'm the only bluesman in heaven / It makes me kind of sad / I know only one / Who died so young / Didn't have the time / To do nothing bad", so das Fazit von Williamson I.
Im gut gelaunten, träumerischen "On The Beach" erinnert sich Newman an seine Jugend am Strand, als das Surfen gerade populär wurde. Natürlich nichts für ihn selbst, aber für seinen Freund Willie, der allerlei erlebte, aber immer noch dort anzutreffen ist, am Strand.
Die Stimme ist etwas dünn und krächzend, die orchestralen Arrangements wirken oft zu dick aufgetragen, aber die Essenz der Stücke ist so wertvoll, dass sich die Auseinandersetzung damit unbedingt lohnt. Vielleicht spielt Newman das eine oder andere Stück auch in vereinfachter Fassung, wenn er Anfang 2018 mit Klavier im Gepäck nach Europa kommt.
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