laut.de-Kritik

Beatles, Dylan, Petty, Baxter.

Review von

"Diese Platte handelt von Entscheidungen, von dem Augenblick am Scheideweg". Sagte Rayland Baxter und entschied, drei Monate in einer leeren Fabrik in Kentucky auf einer Luftmatratze zu pennen. Damit es nicht ganz so langweilig wird, führte er eine Akustikgitarre und ein Wurlitzer-Piano bei sich und komponierte 50 Songs. 30 Demos fertigte er an, 15 davon nahm er auf und strich nochmal fünf. Mit Butch Walker holte er sich anschließend einen Produzenten hinzu, der bereits mit Avril Lavigne und Pink, aber auch mit Pete Yorn kooperierte.

Das Resultat "Wide Awake" ist eine überschäumend melodiöse Sommerplatte geworden, infiziert von Baxters Idolen, den Beatles und Bob Dylan. Nur die wenigsten dürften wissen, dass der 34-jährige Amerikaner bereits zwei Platten auf dem Kerbholz hat und einen Papa namens Bucky Baxter, von Beruf Pedal-Steel-Gitarrist und als Sessionmusiker von Leuten verpflichtet, die R.E.M., Steve Earle und Bob Dylan heißen. Auf dem wehmütigen Abschluss "Let It All Go, Man" lässt er seine Erfahrung erstmals in einem Song des Sohnemanns aufgehen.

Das größte Kompliment für Rayland dürfte sein: Diese Hilfe hat er gar nicht nötig. Routiniert lässt er sein Wissen um die großen Singer/Songwriter-Momente der späten 60er und frühen 70er Jahre aufleben, ohne dabei an Eigenständigkeit einzubüßen. Der Opener stellt seine klare Stimme vor und braust mitten rein in einen nie veröffentlichten Tom Petty-Refrain, während Baxter das Leben in Amerika mit einem "Strange American Dream" vergleicht, in dem sich Menschen lieber abschotten, als mit anderen ins Gespräch zu kommen.

"Angeline" mit seinem leichtfüßigen Pianolauf kommt den Kinks erschreckend nahe und mit dem funky "Casanova" hat Baxter den Radio-Hit im Gepäck, der seinen Namen zügig verbreiten sollte. Im Song erzählt er die bekannte Geschichte eines Lebemanns, der seine Kohle für Drogen verprasst und überall lieber hin will als "back to the hole that I came from" - wo ihn sein Lebenswandel letztlich aber doch auf direktem Wege hinführt.

Mit Cage The Elephant-Gitarrist Nick Bockrath als Psychedelic-Rock-Ratgeber holte sich Baxter einen Geistesverwandten ins Boot, der den gelungenen Spagat dieser Folk-Pop-Kleinode zwischen Damals und Heute mit verantwortet. Dass Baxter mit den Folkrock-Millionären The Lumineers auf Tournee war, passt vordergründig zwar, mit fehlerfrei gespieltem Kaffeehaus-Folk hat das hier aber wenig gemein. Rayland Baxters Songs fahren so viel Tiefgang und harmonische Kniffe auf, dass es schwer wird, ihn in Zukunft zu überhören.

Trackliste

  1. 1. Strange American Dream
  2. 2. Casanova
  3. 3. Angeline
  4. 4. 79 Shiny Revolvers
  5. 5. Amelia Baker
  6. 6. Without Me
  7. 7. Hey Larocco
  8. 8. Sandra Monica
  9. 9. Everything To Me
  10. 10. Let It All Go, Man

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1 Kommentar

  • Vor 6 Jahren

    "Nur die wenigsten dürften wissen"

    Kannte nur die Spotify Session, danke für den Tipp, das der noch zwei Alben verbrochen hat: https://open.spotify.com/album/4nb8lFfEl36…

    2016 als ich das hörte dachte ich schon, warum beachtet den sonst keiner? Gut Tom Petty lebte noch, trotzdem, brachliegendes Radioformat, was nicht binen 3 Sec. verschwunden ist, ist irgendwie etwas in Vergessenheit geraten. Mag auch daran liegen, das ich wahrscheinlich die heutigen Verbreitungswege, nicht mehr so verfolge. Nun gerade bei "Angelina", da singt der irgendwas von Schuhen, gut das Laut nen Schuh hat, dachte ich. ;)