laut.de-Kritik
Musik für die Revolte im Luxus-Supermarkt.
Review von Kai ButterweckDie Welt ist am Arsch, there's no doubt about it! Das scheint mittlerweile auch einem Rea Garvey aufgefallen zu sein. "Der Planet steht in Flammen, und wenn die Dinge nicht besser werden, dann müssen wir laut werden", sagt der gebürtige Ire mit Wohnsitz in Berlin.
Doch was bedeutet "laut werden"? Steigt der Sänger jetzt zur Rettung der Erde auf markanten Hardrock um? Schreit er anno 2015 gar ins Mikrofon? Oder wie gedenkt der Herr seine Gefolgschaft aufzuklären? Ich bin gespannt: "Prisma" soll Antworten liefern. Rea Garveys neues Album soll einer musikalischen und textlichen Rebellion gleichkommen. So lautet zumindest die Ankündigung.
Nach einem durchaus gelungenen Gitarrenintro, dem "Fisher Song", hält "Armour" die ersten Fackeln gegen den Wind. Gesagt werden soll, was gesagt werden muss. Man soll seinen Gefühlen freien Lauf lassen, sich nicht hinten anstellen, sondern vorne weg marschieren. Garveys Botschaft fällt eindeutig aus.
Man könnte sie auch so stehen lassen, wäre da nur nicht die Begleitmusik. Die entwickelt nämlich in etwa die Revolte-Dynamik einer Kerzenflamme im Herbststurm. Angetrieben von in Hall getränkten Achtziger-Drums zieht gewohnt kantenloser Poprock in die Schlacht. Das geht natürlich nach hinten los.
Wer soll hier nochmal zuhören? All die Leute, denen es an nichts fehlt und denen Musik nur in den Gängen luxuriös ausgestatteter Supermärkte begegnet? Ach, so! Dann macht Rea Garvey natürlich alles richtig. Ob diesen Menschen jedoch bewusst ist, dass Musik mitunter auch dazu da ist, um Inhalte zu verbreiten?
Seis drum. Rea Garvey gibt sich hörbar Mühe, vor allem textlich. Man solle aufstehen, sich wehren und den Mund aufmachen. Krieg ist furchtbar. Wenn es nicht mehr anders geht, müsse man auch mal die Arbeit niederlegen. Die gewählten Worte sind lobenswert. Man klatscht Beifall.
Hätte er aus "Prisma" ein Gedichtband gemacht … Hat er aber nicht. Leider. Statt dessen hat Garvey alle seine Gedanken vertont. Das hat zur Folge, dass all die glitzernden und berührenden Momente des Albums einfach so verpuffen.
"Fire" verkümmert zu einem belanglosen Popschunkler. "Echo Me" versucht, mit pointierten Bläsereinsätzen und schleppenden Rhythmen Aufmerksamkeit zu erregen. Doch es fehlt an Intensität. Es baut sich keinerlei Spannung auf. "War" geht einen anderen Weg: Elektronische Klänge übernehmen das Ruder. Doch auch hier bleibt die Oberfläche glatt.
Rea Garvey lässt nichts unversucht. Ein bisschen Blues in "Way Going On" und "Out On The Western Plain", eine Prise R'n'B ("Mockingbird") und altbewährte Kuschelkost ("I'm All About You", "Plain Sailing"): Es hilft alles nichts. Ein musikalischer Warnruf sollte anders klingen. Eckiger, giftiger, lauter. So bleiben nur die Texte haften. Besser als nix? Wahrscheinlich. In Zeiten, in denen alles den Bach runter geht, sollte man schließlich für jeden Denkanstoß dankbar sein.
2 Kommentare
Wieso Out on the western plain?? Wieso nur? Oh Rory verzeih ihm
Ich bekenne mich hiermit öffentlich dazu, dass ich den Song "Supergirl" von Reamonn liebe. Das ist aber leider auch alles, was der Mann je zustande gebracht hat.