laut.de-Kritik
Wer zuletzt lacht ...
Review von Mirco LeierEin Internet-Meme zu werden, kann ein wahrhafter Fluch sein. Rebecca Black war gerade einmal dreizehn Jahre alt, als sie voll kindlicher Naivität vom großen Popstar-Dasein träumte und blauäugig auf Anraten einer Talentagentur einen Song namens "Friday" einsang. Wenige Monate später knackte der Song einen neuen Rekord für die meisten Dislikes auf YouTube. Bis heute hallen die Schmährufe, die der 'schlechteste Song aller Zeiten' hervorrief, noch in den dunkelsten Ecken des Internets nach. Black münzte zwar bereits damals dieses virales Momentum in monetären Gewinn um, der Song stieg sogar in die Billboard-Charts sein, doch litt ihre gesamte Adoleszenz unter den Folgen dieses Witzes auf ihren Kosten.
Man kann sich nur ausmalen, was es mit einem anstellt, wenn man während der Pubertät zum Gespött des gesamten Internets wird. Rückblickend öffnete sich Black 2020 in einem Instagram-Post über diese Zeit und spricht über den Kampf mit Depressionen und konstanter Belästigung on- und offline sowie darüber, von jedem Songwriter in der Industrie gesagt zu bekommen, dass nie jemand mit ihr arbeiten wollen wird.
Umso beachtlicher ist es, dass die Amerikanerin trotz all dessen an ihrem Traum, sich in der Musikindustrie zu behaupten, festhielt. Über all die Jahre hörte sie nie damit auf, Musik zu veröffentlichen. Nach einer Reihe an soliden, aber etwas generischen Elektropop-Singles richtete sie zum Wechsel der Dekade ihren Sound von Grund auf neu aus und fand schnell ein neues Zuhause im Hyperpop. Fast schon symbolisch für diesen Neuanfang kehrte sie sogar zu dem Song zurück, mit dem alles begann und legte ihn Seite an Seite mit Genre-Ikonen wie 100 gecs neu auf. Diese Entwicklung, die mit der EP "Rebecca Black Was Here" bereits 2021 einen ersten Höhepunkt erreichte, kulminiert nun, fast zehn Jahre nach "Friday" in ihrem Independent veröffentlichen offiziellen Debüt-Album, das sie wie ein Phönix aus der Asche ihrer Vergangenheit aufsteigen lässt.
Wer die Entwicklung der Sängerin in den letzten Jahren nämlich nicht verfolgte, der dürfte sich hier gehörig die Augen reiben. Nicht nur klingt das Album großartig produziert, Black steeckt auch eine abwechslungsreiche Breite an modernen Pop-Spielarten ab, ohne die eigene Identität zu verlieren. Den Hyperpop, zu dem sie zu 2020 übersiedelte, findet man immer noch in den blechernen Synths, dem Autotune, den gepitchten Vocals, doch "Let Her Burn" findet inmitten dieses mittlerweile fast schon redundanten Subgenres eine eigene, spannende Nische.
Das 'Hyper' schreibt Black nämlich über weite Strecken eher klein. Songs wie "Sick To My Stomach", "What Am I Gonna Do With You" oder die wunderschöne Ballade "Look At You" spielen ihre Pop-Formel so straight wie möglich, geizen aber dennoch keineswegs mit ihrem Ear-Candy. Das klingt mehr nach Zeitgenossinnen wie Tove Lo oder Carly Rae Jepsen als nach Charli XCX, erinnert aber an allererster Stelle an Blacks eigene Kompositionen post "Friday" und beweist, wie sehr sie seitdem als Songwriterin gewachsen ist.
Doch selbst wenn sie sich stärker an dem Sound anderer Künstler*innen orientiert, denkt Black diese Ideen stets weiter, anstatt sie nur zu rezipieren. "Destroy Me", der vielleicht wagemutigste Song der LP, erinnert mit seinem Kontrast aus zuckersüßen, hohen Vocals und einschneidenden Metal-Riffs an die gegensätzlichen Klangwelten einer Poppy, doch Black verfeinert diesen ohnehin schon wilden Hybriden mit der Addition eines hyperaktiven Drum'n'Bass-Beats, was jetzt schon für einen der spannendsten und einzigartigsten Pop-Momente des Jahres sorgt.
Das geschmackvolle Implementieren von Breakbeats und Drum'n'Bass macht auch in subtilerer Form auch Songs wie "Erase You" oder "Cry Hard Enough" zu klaren Standouts. Besonders auf letzterem Song geht der Kontrast mit dem langgezogenen balladesken Intro grandios auf und erlaubt im Zusammenspiel mit dem emotionalen Text eine befriedigende Katharsis unter Strobo-Lichtern.
Das nicht umsonst als Lead-Single dienende "Crumbs" schlägt die Brücke zwischen diesen Welten, zwischen dem braven Pop-Teen von einst und ihren modernen Ambitionen das Genre voranzutreiben, so gut wie kein anderer Song auf dem Album. Das verzerrte Anschlagen einer Gitarre und ein Gewitter aus verstörten Synths und Drums in der Bridge entführen den eigentlich simplen Beat ins Industrielle, und Blacks unwiderstehliche Hook zerrt uns wenig später direkt wieder zurück auf die Tanzfläche.
So großartig und vorwärtsdenkend das Album jedoch über weite Strecken klingt, so vollkommen ohne die Kinderkrankheiten des Debüt-Albums kommt es dann doch nicht aus. "Doe Eyed" klingt zwar niedlich, aber letzten Endes ein wenig zu sehr wie die horny Version eines Hannah Diamond-Songs und begräbt Blacks Charisma unter einem Berg von Vocal-Effects. Und mit "Performer" endet die LP leider mit ihrem größten Fehltritt. Lyrisch mag der Song, gerade im Anblick auf Blacks Vergangenheit, eine Existenzberechtigung haben, doch musikalisch kaschiert selbst ihre hingebungsvolle Performance nicht die schwache Melodie im Kern des Songs.
Auch lyrisch lässt das Sezieren einer verflossenen Beziehung, das Rebecca Black auf "Let Her Burn" betreibt, noch ein wenig Tiefe zu wünschen übrig, doch rein musikalisch legt sie mit diesem Album ein längst überfälliges und dennoch nicht minder beeindruckendes Fundament für eine Karriere, die in einer gerechten Welt womöglich schon fünf Jahre früher hätte beginnen sollen.
Die Hooks von "Sick To My Stomach" oder "Crumbs", oder das gnadenlos kreative Instrumental von "Destroy Me" sind nur einige von vielen Paradebeispielen dafür, wieso die Frau vollkommen zurecht jahrelang der Missgunst der Industrie trotzte. Talent setzt sich eben früher oder später doch durch, und wer zuletzt lacht, der hat es sich in diesem Falle mehr als redlich verdient.
8 Kommentare mit 14 Antworten
Musik aus dem Pop-Automaten..."Talent setzt sich eben früher oder später doch durch, und wer zuletzt lacht"... ist immer der Dümmste!
Wer DEN Gag "Rebecca Black" als völlig talentfreie Kunstform immer noch nicht kappiert hat und hier allen Ernstes "Talent" sieht, dem ist echt nicht mehr zu helfen, außer vielleicht mit der 5. Impfung
Scheint, als würde die Dame mietfrei in deinem Kopf leben. Mach' die Backen zu, Lil Dumb.
Für eine angeblich so wilde, bunte, grenzenlose Musikrichtung wie Hyperpop weiß man irgendwie immer ziemlich genau, was man bekommt.
Klarer Fall von Musik für Leute die Musik nicht mögen. Dennoch im Vergleich zu Friday ne bedeutende Steigerung.
Musik für "feministische Außenpolitik"!
Ich weiß zwar immernoch nicht wer du bist, aber: Halt mal dein Maul!
Wiesel lite schätze ich
@DerWeiseHai
So haben meine nervigen Kumpels immer mit mir geredet. Habe keinen Kontakt mehr.
Ärsche, Titten, Popmusik. Es langweilt mich so sehr.
gibt zum glück genug richtige künstlerinnen, die sowas nicht nötig haben.
Naja, mit 15 haben wir's dankend angenommen, es gab ja noch kein schnelles Internet
Jaja. Aber mit 15 hab ich auch gedacht, Gabba seit irgendwie geil. So what?
Oha.
Die Pubertät ist ne "harte" Zeit.
Schenkelklopfer.
Will damit auch nur sagen: Gab es halt immer einen Markt für. Nur die feuilletonistische Überhöhung oder Verbindung mit der Vermittlung irgendwelcher Werte ist halt lächerlich, in den 90ern wie heute.
Gabba ist aber immer noch geil, das lasse ich mich mir nicht nehmen!
Da kannste schön den Eichelhammer zu schwingen, woll?!
@chris: Geh ich bedingt mit. Bei W.A.P. z.B. hab ich ihnen die Attitude und die damit verbundenen "Werte" schon abgenommen, hier finde ich es halt einen rein ästhetischen move, der mich derbe langweilt.
@Coller Typ: Ich muss gestehen: auf einer weirden Meta-Ebene kann ich dem inzwischen auch schon wieder was abgewinnen.
Für dich, Cooli: https://www.vice.com/de/article/93aegy/dok…
Rebecca Black, P!nk, Skrillex - The class of 2011 is back. Fehlt nur noch ein neues Atzen-Album.