laut.de-Kritik
Zwischen mitreißendem Pop und künstlerischer Ambition.
Review von Magnus FranzEin Trip nach Amsterdam bewirkt manchmal wahre Wunder. Damit ist jetzt nicht das gemeint, woran wohl jeder sofort denkt. Denn für Singer/Songwriter Alex O'Connor, besser bekannt als Rex Orange County, ist die niederländische Hauptstadt die Geburtsstätte seines nunmehr vierten Albums "Who Cares", das gemeinsam mit seinem langjährigen Kumpel Benny Sings in dessen Amsterdamer Homestudio entstand und den jungen Engländer einmal mehr als einen der konsistentesten Songwriter der jüngeren Zeit etabliert.
Das liegt hauptsächlich daran, dass sich an den stimmigen und effektiven Qualitätskriterien seiner Vorgängerplatten, allen voran das 2019er "Pony", auch in diesem Anlauf nicht viel geändert hat. O'Connors bewährter Signature-Style, bestehend aus weitestgehend minimalistischen Arrangements, fein-nasaler Stimmlage, mitreißenden Melodien und groovigen Bedroom-Pop-Arrangements mit Einflüssen aus Jazz, Soul und Hip Hop, spiegelt sich abermals im gesamte Projekt wider.
Auch die traditionelle Melancholie ist geblieben, jedoch kündigt sich nach vielen Jahren einer weitestgehend bedrückenden Sicht auf das Leben eine Art Zeitenwende bei dem jungen Engländer an. "Who Cares?" ist der bisher optimistischste Output in O'Connors Diskographie, unterstrichen wird dieser neue Fokus vor allem mittels breitem Einsatz orchestraler Elemente, die schon früher vereinzelt zu hören waren, nun aber eine Hauptrolle übernehmen. So sorgt der Streichereinsatz beim Opener "Keep It Up", genauso wie auf dem berührenden "Amazing", für die klangliche Verbindung von Melancholie und Euphorie.
Bei "Open A Window" spielen die Orchesterelemente ebenfalls eine wesentliche Rolle für die rundum stimmige Atmosphäre. Ein noch größerer Faktor für das gelungene Gesamtbild des Songs ist jedoch eine altbekannte Person aus O'Connors Vergangenheit: Nach Benny Sings erscheint mit Tyler, The Creator ein weiterer bedeutender Weggefährte, der nicht nur Geschichte mit O'Connor teilt, sondern nach dem ersten Reveal der Tracklist auch für ordentlich Vorfreude sorgte.
Nachdem Tyler den damals noch 17-jährigen O'Connor durch Features auf den "Flower Boy"-Tracks "Boredom" und "Foreword" erstmals einem weltweiten Publikum offenbarte, schließt sich fünf Jahre später nun der Kreis, und Tyler findet sich auf einem Rex Orange County-Song wieder, der wenig überraschend noch dazu das große Highlight der Platte darstellt. Seien es die satte Synth-Bassline, die Staccato-Streicher, O'Connors Vocals, Sings lebhafte Produktion oder Tylers kurzer, aber dafür umso knackigerer Part - an dieser Stelle stimmt einfach alles.
Obwohl das Trio mit all seinen Stärken somit schon mit dem zweiten Song den Höhepunkt der Platte setzt, geht dem Album aber in der Folge nicht die Luft aus. Sowohl das lockere "The Shade", das einige Parallelen mit Fleetwood Mac aufweist, als auch der wunderschön verspielte und harmonische Titeltrack überzeugen in ihrem minimalistischen Gewand auf ganzer Linie.
Während der Minimalismus und die schlichte, analoge Instrumentierung mit Fokus auf O'Connors Stimme beim Großteil der Platte für eine wärmende und vertraute Atmosphäre sorgen, schleichen sich mit "7AM" und "One In A Million" ein paar repetitive und vergleichsweise ernüchternde Momente ein, in denen ein abwechslungsreicheres Soundbild und etwas mehr Experimentierfreudigkeit nicht geschadet hätten. Dass solch ein Vorgehen einen eher enttäuschenden Song deutlich aufwerten kann, belegt O'Connor schließlich auf "If You Want It" mit dem Einsatz von verstimmten Streichern und Synths dann sogar selbst.
Abseits dieser kleinen Unstimmigkeiten, verdeutlicht "Who Cares?", wie schon O’Connors bisheriger Output auch, dass es nicht immer Unmengen an aufgeblasenen Produktionselementen braucht, um fesselnde Pop-Songs zu kreieren. Weitestgehend auf die Basics reduziert, glänzt das Album durch überzeugendes Songwriting, mitreißende Melodien und eine Menge Groove. Eine Kombination, die aus fast allen Tracks das maximale Maß an poppiger Eingängigkeit und künstlerischer Ambition herausholt.
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