laut.de-Kritik
Für Freunde von Springsteen, Cash und Tom Petty.
Review von Michael EdeleSchon auf seinem ersten Solo-Album "Tattoos & Alibis" hat der ehemalige The Almighty-Frontmann deutlich gemacht, dass er sich musikalisch von seiner alten Band entfernt. War das Debüt noch allein auf seine Stimme und die Akustikgitarre beschränkt, greift der Schotte auf "Love Many Trust Few" fast durchgehend auf Drums, Bass und sogar mal die ein oder andere E-Gitarre zurück.
Dennoch ist auch die aktuelle Scheibe ganz in der Singer/Songwriter-Tradition gehalten und nicht nur optisch wandelt Ricky dabei ein wenig auf Mike Ness' Solopfaden. Genau wie der Social Distortion-Sänger wildert der Rotschopf dabei nämlich gerne in der Country- und Western-Ecke, was zumindest mich sehr verwundert. Immerhin hat Warwick früher keine Gelegenheit ausgelassen, sich über die US of A auszukotzen.
Das ändert aber nichts daran, dass "Love Many Trust Few" ein klasse Album ist, zu dem man richtig abschalten und die Seele baumeln lassen kann. Der Opener "Johnny Or Elvis" kommt locker beschwingt daher, "I Don't Know What To Do" könnte auch von den Rolling Stones stammen und "Learning To Fall" klingt doch tatsächlich wie ne richtig schöne Nummer von Tom Petty. Noch eine Spur melancholischer geht es beim auf Gitarre und Stimme reduzierten "New Neighbors Old Fences" zu.
Dann wird's aber erst mal wieder deutlich rockiger und "Anybody Wanna Waste Some Time?" hat sogar fast schon was von The Almighty, wenn auch etwas gemäßigter. Ebenfalls eher im locker flockigen Bereich tummeln sich Tracks wie "Ain't Comin' Round" und "Even Now". Dass die amerikanische Folkmusik ihre Spuren hinterlassen hat, merkt man Songs wie "Come Back Home To Me", "Guilty" oder "Rich Kids" deutlich an, was nicht zuletzt an dem Westerngefiedel der Geige, bzw. am Banjo liegt (wer hat hier "Scrubs" gesagt?).
Da nirgends auch nur ansatzweise erwähnt wird, wer die Dame ist, die Ricky bei diversen Songs mit ihrer Stimme begleitet, geh ich mal davon aus, dass es sich dabei um seine Frau Tina handelt, die vor allem beim schon erwähnten "Ain't Comin' Round" oder "Sometimes Even Losers" das Bild toll abrundet. Für die sogenannten 'blue hours' hat Warwick mit "Lonely Moon", "Cold September" oder "Sometimes Even Losers" auch noch ein paar großartige Songs in petto. Das Iron Maiden-Cover von "Running Free" fällt allerdings eher unter die Kategorie Kurioses.
Wer sich mit Bruce Springsteen, Johnny Cash und den weiter oben bereits erwähnten Künstlern anfreunden kann, der ist mit "Love Many Trust Few" jedenfalls gut beraten. Und falls heutzutage tatsächlich noch einer die Zeit hat, sich einfach mal auf den Rasen zu knallen und die vorbeiziehenden Wolken zu betrachten, hat er hier seinen Soundtrack dazu gefunden.
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