laut.de-Kritik

Die Barbie aus Barbados fabriziert nur Plastik-R'n'B.

Review von

Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin. Wow, hat der einen Bart! Einen Bart hat Rihannas drittes Album "Good Girl Gone Bad" nicht, aber ungefähr so viel Neues wie der Eingangsspruch zu bieten. Die gängigen Klischees werden alle schön der Reihe nach abgearbeitet und sind Up-To-Date produziert. Den kreativen Moment findet man jedoch nur mit Mühe.

Der Albumtitel lockt also auf die falsche Fährte. Denn wer sich von "Good Girl Gone Bad" einen Stapel fetziger Songs einer "schmutzigen" Künstlerin (mit entsprechender Kreativkraft) erhofft, wird schwer enttäuscht. Die barbie-eske Schönheit aus Barbados fabriziert nur Plastik-Wegwerf-R'n'Pop. Mehr ist trotz des vielversprechenden Albumtitels nicht zu holen.

Geht "Umbrella" vor allem wegen seines Jay-Z-Features noch halbwegs in Ordnung, verströmen schon beim zweiten Song die Albumfüller ihr mittelmäßiges Potential. "Push Up On Me" und "Don't Stop The Music" fallen eindeutig in diese Kategorie, auch wenn beide versuchen, mit Reminiszenzen zu punkten: "Push Up On Me" greift auf Elemente aus Lionel Richies "Running With The Night" und "Don't Stop The Music" auf Michael Jacksons "Wanna Be Startin' Somethin'" zurück.

Auch "Breakin' Dishes" überzeugt nur marginal. Ebenso wie das folgende "Shut Up And Drive", das sich auf Steven Morris' "Blue Monday" bezieht. "Hate That I Love You" gehört dank seines Features wieder zu den kleinen Lichtblicken. Ne-Yo steuert seine Stimme bei, macht aber aus der durchschnittlichen Komposition auch keinen Knaller.

"Say It" will mit Kindergarten-Groove und Krabbelgruppen-Hookline die Herzen der Jüngsten erobern. "Lemme Get That" fällt mit seiner Beatfixierung zwar ein wenig aus dem Albumrahmen, entfernt sich aber dennoch nicht vom scheinkreativen Albumstandard, der sich stark an einer Prêt-à-Porter-Mentalität orientiert. Songs von der Stange, wie sie von jedem gut programmierten R'n'B-Kompositions-Computer generiert werden könnten, bestimmen den Gesamteindruck des Albums.

"Rehab" gehört mit smoother Atmo zu den akzeptablen Stücken, mehr Wohlwollen ist leider nicht drin. "Question Existing" leitet belanglos vor sich hin dümpelnd zum Closing Track "Good Girl Gone Bad" über. Der gehört mit Schrammelgitarren-Intro und Hüpfe-Groove definitiv zu den Highlights des Albums. Wobei die Erwartungshaltung nach zwölf Songs so gegen Null tendiert. Die Messlatte liegt inzwischen so tief, dass selbst Allerweltgrooves und –melodielinien zu etwas Besonderem mutieren.

Zum Vorgängeralbum "A Girl Like Me" schrieb meine geschätzte Kollegin Dani Fromm: "Entsetzlich standardisierte Tracks bar jeglichen Gefühls oder gar Feuers verleugnen Wurzeln und Intention dieses Genres gleichermaßen." Was sich damals auf Reggae-Tunes bezog, lässt sich auf den R'n'B-Erguss auf "Good Girl Gone Bad" vollumfänglich übertragen. Hier geht es nicht um den Ausdruck von Emotionen (eigentlich ein Grundanliegen jeglicher Musik), sondern um das Geldverdienen mit jugendlichen Illusionen. Deren Träume und Sehnsüchte werden in Worte, Beats und Hooks gepackt, die, sanft durchgeschüttelt und mit einer großen Portion Weichspüler seicht gewaschen, einen undefinierbaren Einheitsbrei hinterlassen.

Und dabei kann Rihanna singen! Schade, dass sie sich von den Machern der Szene so verheizen lässt, denn das Potential ist unzweifelhaft vorhanden. Dieses Los teilt sie u.a. mit Joss Stone, deren Talent auf "Introducing Joss Stone" auf ähnliche Weise missbraucht wird. Wenn in Rihannas Fall eine künstlerische Eigenständigkeit, eine Idee, eine Vision der eigenen musikalischen Identität hinzukäme, wäre der Braten gegessen. Tut es aber nicht. Die Finger der Produzenten ersticken jegliche Individualität im Keim und bügeln die Songs im Sinne des gültigen Produktions-Kodex glatt. "Ein weiteres Produkt für pubertierende Realschülerinnen" frotzelte meine Kollegin Vicky Butscher über "Music Of The Sun". An diesem Urteil ist auch zwei Alben später nicht zu rütteln.

Trackliste

  1. 1. Umbrella
  2. 2. Push Up On Me
  3. 3. Don't Stop The Music
  4. 4. Breakin' Dishes
  5. 5. Shut Up And Drive
  6. 6. Hate That I Love You
  7. 7. Say It
  8. 8. Sell Me Candy
  9. 9. Lemme Get That
  10. 10. Rehab
  11. 11. Question Existing
  12. 12. Good Girl Gone Bad

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127 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    Also ich traue laut generell beim Urteil über Pop-Musik nicht besonders weit. Aber ein so lupenreines Pop-Album dem RnB zuzuordnen ist schon sehr daneben. Und dann noch den durchschlagenden weltweiten Erfolg von Umbrella mit dem Jay-Z feature zu begründen ist schon hart an der Grenze zu völlig ignorant. Man werfe nur einen Blick in die Blogosphäre des Pops, welche die ersten beiden Alben völlig ignorierte und von diesem begeistert ist. Dazu steht schon die nächste Hitsingle ins Haus - "shut up and drive". Das Pop bei euch mit Indifferenz und Desinteresse behandelt wird bin ich ja schon gewohnt - aber so geballte Inkompetenz ist ja auch nicht nötig. Sucht euch doch auch mal jemanden den die Musik auch interessiert die er rezensiert und nicht einfach nur alte Artikel zitiert.

  • Vor 17 Jahren

    bwahaha...Pop wird hier mit Indifferenz behandelt, also z.B. Arcade Fire = Britney Spears = Paris Hilton?

  • Vor 17 Jahren

    finde auch das die kritik hier phasenweise übertrieben ist."umbrella" ist nicht wegen jay z intressant,nein im gegenteil,sein part wirkt hier eher deplatziert.der song hat eine extreme ohrwurmgarantie,und das schafft auch nicht jeder.das pop bei laut mit ignoranz behandelt wird kann ich nicht behaupten,schliesslich wurden z.b. tele usw hier auch als gut befunden.
    aber nochmal,2 punkte wären hier für rihanna mindestens drin gewesen.

  • Vor 15 Jahren

    Guten Tach!

    Meiner Meinung nach hält sich auch viele Monate nach meinem Geschreibsel hier
    das gesangsmässige Herumgepose von Rihanna in engen, songdienlichen, Grenzen.

    Ihre Stimme finde ich nach wie vor nicht schlecht, sondern gut geeignet für diese Art von Musik.
    Ihr Erscheinungsbild ist mittlerweile meistens anerkannt nicht unsexy, und überhaupt ... ;-)

    Über die aktuelle Prügelstory will ich mich nicht weiter auslassen - obwohl da sehr viel Diffamierendes (auch gegenüber Rihanna) zu lesen war.
    Nur soviel:
    die Frau ist stark genug, um die Situation in der richtigen Weise zu handeln.
    Und auf Tips von rassistischen Deutschen kann sie sicherlich völlig verzichten (man lese nur mal die Kommentare auf "welt.de"!).

    Gute Nacht! Träumt was Schönes!

  • Vor 13 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 11 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 3 Jahren

    Diese zickig-frustrierte Review hätte auch von Herr Fromm kommen können.