laut.de-Kritik
Klingt optimistischer, als man denken könnte.
Review von Giuliano Benassi"Grant & Ich" gehört zu den besten Autobiographien eines Musikers, die zuletzt erschienen sind. Humorvoll und selbstkritisch erzählt Robert Forster seinen Werdegang sowie die Höhen und Tiefen seiner Freundschaft mit Grant McLennan und ihrer gemeinsamen Band Go-Betweens. Kultstatus ja, Kohle nein, wie eine der prägenden Passagen im Buch klar stellt: "Und die 40.000 Pfund, die wir dem Label 1989 schuldeten? In den folgenden 26 Jahren bekamen wir keine Tantiemen für die Go-Betweens-Alben "Liberty Belle", "Tallulah" und "16 Lovers Lane" - bis Beggars im Jahr 2015 auf die verbliebenen 12.000 Pfund verzichtete".
Am Ende des Buchs erzählt Forster ergreifend die letzten Stunden im Leben McLennans, der 2006 von einem Moment auf den anderen an Herzversagen starb. Ein niederschmetterndes Ereignis, das sich wie ein Schatten auf Forsters Werk der folgenden Jahre legte. "The Evangelist" (2008) enthielt drei Stücke, die er mit McLennan für ein neues gemeinsames Album geschrieben hatte, der Nachfolger "Songs To Play" erinnerte sieben Jahre später stellenweise an Lou Reed und besaß einen recht düsteren Unterton.
Laut Forster sollte dieses Album einen Neuanfang darstellen, doch brauchte er wohl das Buch, um den endgültigen Strich zu ziehen. Jedenfalls klingt sein vorliegendes siebtes Solowerk von Beginn an wesentlich optimistischer, obwohl die Stammband mit seiner Frau Katrin Bäumer (Gitarre, Stimme) und dem Multi-Instrumentalisten Scott Bromiley schon 2015 mit an Bord war. Dass es Forster - wie sein Solodebüt "Danger In The Past" (1990) - in Berlin aufnahm und sogar noch mit demselben Produzenten, Victor Van Vugt, ist aus seiner Sicht eher dem Zufall geschuldet. Symbolischen Wert hat es dennoch.
Im Studio kamen Schlagzeuger Earl Havin (Tindersticks, Mary J. Blige) und Keyboarder Michael Mühlhaus (Blumfeld, Kante) hinzu. Der größte Unterschied ist jedoch Forsters Stimme, die munterer klingt und eine größere Breite aufweist. Eine beachtliche Leistung für einen Sänger (und Gitarristen), der die 60 überschritten hat und seit über 40 Jahren im Business ist.
Den Beginn macht der irische Dichter William Butler Yeats, dessen 1933 veröffentlichtes Gedicht "Crazy Jane On The Day Of Judgement" Forster behutsam vertont. Damit macht er gleich klar: Hier geht es um Unterhaltungsmusik der gehobenen Sorte, die weniger auf die Charts als auf den Inhalt schielt. "I don't need no fame" erklärt er im zweiten Lied folgerichtig. Dass "Inferno" im März 2019 auf Platz 17 der deutschen Charts eingestiegen ist, dürfte ihn dennoch freuen.
Auch in der Hölle kann man Spaß haben. Zumindest musikalisch, wie das rock'n'rollige Titelstück beweist, das schon fast wie eine Hommage an David Bowies "The Jean Genie" klingt. Zwar ist Forsters Heimatstadt Brisbane, in der er einen guten Teil seines Lebens verbracht hat, alles andere als spannend, wenn man seiner Autobiographie Glauben schenkt, doch wenigstens hat man seiner Band dort eine Brücke gewidmet, die Go Between Bridge. So ist das letzte Wort des Songs "Inferno (Brisbane In Summer)" passenderweise "Paradise".
Auch eine von Albträumen geprägte Nacht findet ein Ende, und zwar beim Aufwachen ("The sun's at the door it's knocking / The morning is a friend"). In "Life Has Turned A Page" erzählt Forster die Geschichte eines Paares bei entspannten Bossa Nova-Klängen. Den vermutlich tiefsten Einblick in sein Innenleben untermalt er jedoch mit einem einfachen Akustikriff einen Song später: "There was a time, there was a time that I've known / When my work, when my films just weren't shown / Big city screens, big city dreams, remain / I did my good work while knowing it wasn't my time". Zeilen, die Lebensweisheit beinhalten. Denn egal, wie viele Tiefpunkte er durchleben musste - Forster weiß, dass sein Werk Bestand haben wird.
Noch hat er nicht fertig, wie er mit einer Prise Ironie in "I'm Gonna Tell It" verspricht. Das beste Stück hat er sich jedoch für den Schluss aufgehoben. "One Bird In The Sky" ist eine jener Balladen, die das Zeug zum zeitlosen Klassiker haben (wie etwa Lynyrd Skynyrds "Free Bird", um beim Thema zu bleiben): "Time to hit the ground, time to walk around / Time to do my thing / Eat only what I eat, breathe only what I breathe / And then leave", so Forster.
"If I leave here tomorrow, would you still remember me?" Natürlich, Mister Forster. Das wird hoffentlich noch sehr lange dauern, zumal er im April und Mai mit Bandbesetzung durch Deutschland und Österreich tourt.
3 Kommentare mit 2 Antworten
wird natürlich mal angehört.
Der Evangelist ist imho immer noch top 10 der 2000er Alben.
Das ist ein wirklich schönes Album geworden. Ein Konzertbesuch ist unbedingt zu empfehlen, denn Mr. Forster dürfte einer der sympathischsten Künstler sein, die ich bislang live erleben durfte.
Ja,das stimmt! Freue mich schon sehr auf das Konzert.
Und ja,sehr gutes Album ohne Hänger.
im gegensatz zu früheren alben nur starke tracks dabei. hut ab, mr. forster, so geht spätwerk.