laut.de-Kritik

Mitreißendes Dokument eines Reifungsprozesses.

Review von

In der Vergangenheit hat der Musiker und Sänger Jérôme Reuter mit seinem Projekt Rome zum eigenständigen politischen Denken anregen wollen. Deswegen beinhaltete "The Hyperion Machine" von 2016 viele philosophische und literarische Bezüge, etwa zur griechischen Antike oder zu Schriftstellern wie Heiner Müller und Paul Celan. Auf "Hall Of Thatch" befasst sich der Luxemburger dagegen auf einer metaphysischen und transzendentalen Ebene mit seinen inneren Dämonen.

Schon der Opener "Blighter" erzeugt mit seinen harten Akustikgitarrenklängen, unheilvollen Chören und Tribalrhythmen eine bedrohliche Stimmung. Mit seinem rauen und schroffen Organ ruft Reuter archaische Bilder ins Gedächtnis. Demgegenüber erweist sich die Melodie als überaus einprägsam. Dennoch dürfte der Beginn so manche Fans aus dem Dark-Wave- und Neo-Folk-Lager zunächst einmal verschrecken.

Letztendlich kann man Rome kaum einer bestimmten Schublade zuordnen. Die ersten Veröffentlichungen für Cold Meat Industry durchzogen harsche Industrial- und stoische Post-Punk-Momente. Mit dem Labelwechsel zu Trisol wuchsen die Einflüsse des Projektes erstaunlich in die Breite.

Neben hörspielartigen Versatzstücken findet man deutliche Querverweise zu Chansonniers wie Jacques Brel und Singer/Songwritern wie Leonard Cohen. Auf "Hall Of Thatch" bezieht sich Reuter indes auf Gothic-Americana-Acts wie Woven Hand und Chelsea Wolfe. Er orientiert sich daher in eine neue Richtung. Ein erdiger, aber auch nachdenklicher Charakter haftet dieser Platte insgesamt an.

Für Melancholie sorgen die dezenten Pianoakkorde, die geisterhaften Ambient-Sounds und das meditative Sitarspiel in "Nurser". Gegen die Schwermut bäumt sich wiederum der kraftvolle Refrain auf. Das von einer stürmischen Akustikgitarre und dem tiefen, animalischen Gesang des Luxemburgers geprägte "Hunter" lässt danach an die rohe Energie von New Model Army denken.

In "Slaver" verbreiten rituelle Percussions, mysteriöse Chöre und eine verspielte Orgel psychedelisches Flair. Atmosphärisch erinnert die Nummer an die Soloalben Steve Von Tills von Neurosis. Dazu schält sich unter der staubigen Oberfläche eine eingängige Hook heraus. Sie untermauert die Pop-Qualitäten von Rome.

Sowohl europäische als auch amerikanische Vorbilder aus den Bereichen Folk, Rock, Doom und Post-Punk dienen Reuter als Inspiration für dieses Werk. Ideen für die Platte sammelte er allerdings im Vietnam. Im südöstlichen Teil des Küstenstaates gab er regelmäßig Konzerte. Mit seinem Moped erkundete er anschließend das Land und nahm mit einem Aufnahmegerät Gesänge und Gebete auf, die man auf dem Album als Field Recordings hört. Nebenher beschäftigte er sich mit den Lehren des Buddhismus. Auf der Scheibe befreit er sich von emotionalen Altlasten. Er erzählt von seiner Katharsis.

Die Songs dokumentieren somit die verschiedenen Etappen seines langen Reifungsprozesses. In "Martyr" entledigt er sich zu brutalen Noise-Rock-Klängen seiner Wut. In "Hawker" bittet er um Gnade. Der Refrain stellt eine gelungene Hommage an "Mercy" von Nick Cave & The Bad Seeds dar. "Prayer" geht treibend nach vorne und mündet in ein fernöstliches Gebet, unterlegt mit verstörender Elektronik. In "Keeper" vermitteln die religiösen Choräle und die klagende Stimme von Reuter gar keine Hoffnung mehr. Das intensive und beklemmende Finale hinterlässt nur noch ein Gefühl von Schmerz.

Nichtsdestotrotz setzt "Clemency" auf einen geradezu harmonischen Schlusspunkt. An die Swans zu "White Light From The Mouth Of Infinity"-Zeiten am Anfang der 90er-Jahre gemahnen die repetitive Akustikgitarrenführung und das beschwörende Timbre des Luxemburgers, der seine gegenwärtige persönliche Lage in diesem Track reflektiert. Die "Spitze des Mount Everest" hat er trotzdem keineswegs erreicht, betont er in einem Interview, jedoch weist er mit dieser Nummer in eine zuversichtliche Zukunft.

Mit "Hall Of Thatch" tritt Jérôme Reuter demnach eine Reise in seine eigene Psyche an. Er beschreibt die Platte als eine "Reaktion auf das, was aktuell vor sich geht". Kämpfe führt er inzwischen für sich alleine. Darüber hinaus vereinigen sich die einzelnen Songs zu einem stimmungsvollen und tiefgründigen Gesamtkunstwerk. Dieses Album schließt an das berauschende Niveau des Dreiteilers "Die Æsthetik der Herrschaftsfreiheit" von 2011 an. Und bildet zudem die Basis für die weiteren Veröffentlichungen von Rome.

Trackliste

  1. 1. Blighter
  2. 2. Nurser
  3. 3. Hunter
  4. 4. Slaver
  5. 5. Martyr
  6. 6. Hawker
  7. 7. Prayer
  8. 8. Keeper
  9. 9. Clemency

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LAUT.DE-PORTRÄT Rome

Der luxemburgische Musiker Jérôme Reuter besitzt vor der Gründung seines Hauptprojektes Rome 2005 schon Erfahrung in lokalen Punkbands und als Schauspieler.

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