laut.de-Kritik
Gelungene Hommage an Kraftwerk und Co.
Review von Ulf KubankeMit den hervorragenden letzten Alben "Engtanz Depression" sowie "Männerfreundschaften Und Metaphysik" untermauerten Sankt Otten ihren Ruf als Erneuerer des Krautrock-Erbes. "Zwischen Demut Und Disco" dagegen begibt sich mit einer konsequent anachronistischen Hommage an Kraftwerk und Co auf einen Seitenweg. Mit dabei: Der letzte Einsatz von Jaki Liebezeit.
Neu ist so ein Ansatz nicht. So veröffentlichte Altmeister John Foxx mit "The Pleasures Of Electricity" bereits 2001 ein Konzeptalbum, das sich bewusst an Kraftwerk orientierte. Doch wo Foxx aufhört, legt das Duo Otten/Klemm erst so richtig los. "Zwischen Demut Und Disco" zelebriert eine Orgie totalen Eklektizismus, es hätte auch "The Young Person's Guide To The Krauts" heißen können.
Denn so gut wie alle Stücke erinnern - teils strukturell, teils stilistisch - simultan an diverse artverwandte Legenden. Schon der Opener "Das Endgültige Scheitern Der Melancholie" klingt nach der Leibesfrucht von La Düsseldorf und Riechmanns "Wunderbar". Im Ratespiel zum Potpourri verschiedenster Kombinationen liegt der Reiz dieser neun Tracks.
"Der Kaffee Spricht Zu Mir" vermischt den Geist Riechmanns hernach mit Neu! und trägt beide sanft in die Gegenwart. "Einmal Große Ernüchterung Bitte" holt Kraftwerk hernach genau dort ins Boot, wo Karl Bartos die Route vorgab. Wer schon immer wissen wollte, wie "Musique Nonstop", "The Robots" und "Pocket Calculator" komprimiert als Dreiminutenstück klingen, muss hier zugreifen.
Jeder der genau hinhört, vernimmt im Verlauf viele weitere Zitate, die in Assoziationen von Cluster über Jean Michel Jarre bis Tangerine Dream münden. Von Edgar Froese schnappen sie sich dessen berühmtes Stilmittel, sein sinfonisches Sequenzergetüdel langsam aus dem Hintergrund nach vorn zu schieben, wie einen Raumgleiter ("Die Ballade Vom Salonfähigen Zynismus").
Der Schlussakt "Der Abend Ist Gelaufen" atmet mehr als einen Hauch von Bowie/Eno anno "Low". Warum auch nicht? Immerhin lernten die beiden Engländer damals ihr Handwerk von Rother, Dinger etc..
Selten hat eine Band so überzeugend die eigenen Vorbilder bestohlen und ihre Beute im Interesse der Kunst wieder zurück gegeben. Egal ob alter Krautdegen oder Frischling: Hier muss man reinhören.
Noch keine Kommentare