laut.de-Kritik

Verführerische Grooves und unverkennbare Stilistik.

Review von

'Angeber' dachte ich, als Carlos Santana in einem Interview losprotzte: "So ein Album wie 'Supernatural' (Übernatürlich) kann ich jederzeit wieder machen". Nun ist es da und trägt ebenfalls einen esoterisch angehauchten Namen. "Shaman" (Schamane) heißt Santanas neuester Streich.

"Die Lösung der Probleme dieser Welt heißt Spiritualität. Das hat mit Religion überhaupt nichts zu tun. Meine Musik hat eine klare Absicht: die Förderung und Verbreitung von Menschlichkeit!" Diese zutrauliche Botschaft streut er mit verführerischen Grooves, seiner unverkennbaren Stilistik und einem Pfund Ohrwürmer unters Volk. Tanzen, singen und feiern hat zumindest noch niemand geschadet und so folge ich gerne seiner Mission.

Der Opener "Adouma" zollt als Instrumentalversion der Urheberin Angelique Kidjo Respekt und führt sanft in das Album ein, bevor die beeindruckende Riege an Gastmusikern mit Musiq (Soulchild) und "Nothing At All" loslegt. 'Singlealarm', schrillt mein Hitmelder, noch bevor die offizielle Auskopplung "The Game Of Love" (mit Michelle Branch) erschallt. Zwei wirklich gute Latin-Soul-Kracher haut uns damit Herr S. schon in den ersten Spielminuten von "Shaman" um die Ohren.

Seal hat seinen Auftritt bei "You Are My Kind" und präsentiert damit ein nettes Popstückchen. Aber dann! Macy Gray versetzt mit "Amoré (Sexo)" die Hüfte in erhöhte Wallungszustände. Volkstümlich und mit schnellen Bläser-Zungen gehts dagegen bei "Foo Foo" zur Sache. Samba, ein Loblied auf sich selbst und eine Sechseinhalb-Minuten-Session ist angesagt. "Santaanaa ... Everybody Jump … Santaanaa … Arriba … " heißt das Motto, das in etlichen Tanzlokalen für verschwitzte Hemden sorgen wird.

Etwas schnulzig gerät die "Victory Is Won"-Ballade. Mit ausführlichem Orgel- und Gitarrensolo erinnert sie ein wenig an Carlos' frühere Alben. Zur Rock-Sache gehts bei "America", zu dem P.O.D.-Saitenbearbeiter Marcos das fette Gitarrenriff beisteuert. Rockhit klingelt die Singlesirene und markiert damit eine weitere garantierte Singleauskopplung.

Den Blues schiebt Citizen Cop-Kopf Clarence Greenwood auf "Sideways". Blues eben. Spannender wirds wieder mit "Why Don't You And I", bei dem Nickelback-Frontmann Chad Kroeger Hand ans Mikro legt. Gekonnt gerockt. Gegen solch geballte Power wirkt "Feels Like Fire", von Didos Organ geziert, wie ein Folkständchen. "Let Me Love You Tonight" shuffelt gemächlich vor sich hin, aber "Aye Aye Aye", bevor wir einnicken, wieder was zum Hüfte wackeln.

Einen grandiosen Auftritt hat der argentinische Sänger Alejandro Lerner auf "Hoy Es Adios". Der Westernklassiker "12-Uhr-Mittags" galoppiert in meinen Kopf, während die Trompete für (r)echte Lonesome-Cowboy-Atmosphäre sorgt und der Hoppelgroove für das nötige Pferdeflair. Fette Bläser beim anschließenden "One Of These Days" führen zum Kuriosum des Albums: Oper meets Latin. Startenor Placido Domingo leitet mit dem himmlisch schönen "Novus" die Platte aus. Sanfte Streicher, der dezente Groove, Placidos Organ und Carlos Solo entlassen die befriedigten Ohren in absoluter Harmonie.

Mission erfüllt! Santanas Botschaft ist in meiner Hüfte und meinem Herzen angekommen und will - der Traum aller Missionare - noch mal gehört werden ... noch mal ... und noch mal! 'Angeber' werd ich nie wieder denken!

Trackliste

  1. 1. Adouma
  2. 2. Nothing At All
  3. 3. The Game Of Love
  4. 4. You Are My Kind
  5. 5. Amoré (Sexo)
  6. 6. Foo Foo
  7. 7. Victory Is Won
  8. 8. America
  9. 9. Sideways
  10. 10. Why Don't You and I
  11. 11. Feels Like Fire
  12. 12. Let Me Love You Tonight
  13. 13. Aye Aye Aye
  14. 14. Hoy Es Adios
  15. 15. One Of These Days
  16. 16. Novus

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