laut.de-Kritik
"Lass uns tanzen oder ficken, denn morgen sind wir tot."
Review von Dani Fromm"In the year of the lord 1994 we conquered the floor." Ich komme nicht umhin, erhebliche Bewunderung für Scooter zu empfinden. Von vielen Seiten geschmäht, so lange Jahre unbeirrt das eigene Ding durchzuziehen, da gehört schon einiges dazu. Vor der Konsequenz, mit der hier zu Werke gegangen wird, muss man sich einfach verneigen.
Ungeachtet dessen zieht mir die musikalische Seite die Socken aus, während ich noch Schuhe trage. Gabba hey, gabba hey. Bumm, bumm, bumm, bumm. Zippidy zippidy doo da. Stampf, stampf. Da, dadada, heyheyhey. Die Herren arrangieren schlichteste Kirmestechnobeats in einer Weise absehbar, dass es eine Schande ist.
Wummer, wummer, dann raus mit dem Bass, ein ruhigeres Versatzstück, gerne mit pathetischen Vocals verbrämt, dazwischen geklebt. Prophetische Gabe ist nicht erforderlich, um schon beim ersten Hördurchlauf den Moment vorhersagen zu können, in dem - 1, 2, 3, 4 - wieder draufgeballert wird.
"Drum and bass and jungle will never die." Da die Scooter'schen Ergüsse weder mit Drum'n'Bass noch mit Jungle irgendetwas zu tun haben, könnte an dieser Behauptung tatsächlich etwas dran sein. Elvis has just left the building: Nicht weiter verwunderlich.
Da der Bauer bevorzugt frisst, was er bereits kennt, setzen Scooter auf Effekthascherei mit den vertrauten Elementen. Das hält die Hörerschaft wirksam bei der Stange. So wird von Strauss'scher Theatralik über "Scarborough Fair" bis hin zu den Harmonien aus Bronski Beats "Hit That Perfect Beat" verwurstet, was gerade zur Hand ist.
Den Tagespreis erhält, wer die Stelle findet, an der mir plötzlich "Belfast Child" im Ohr klebt. Blurs "Song 2" ist auch noch in der billigsten Adaptation für einen Brüller gut. Traditionelles Highlander-Gedudel schürt die Angst, ein Michael Flatley auf Speed könnte jederzeit um die nächste Ecke steppen. Hilfe, how do I get off the bus?
Bis auf wenige Ausnahmen ("U.F.O. Phenomena", "Love Is An Ocean") verunziert (falls das überhaupt geht) wie üblich unser Rudeboy und King of Hardcore H. P. Baxxter die Tracks. Seine, hmm ... nennen wir es mal "Vocal Performance" erweist sich als mindestens so beständig wie sein stoischer Gesichtsausdruck und der wasserstoffblonde Bürstenschnitt. "I am the screaming lord", "I am a fighter, not a writer": Solche Zeilen nehme ich Scooters Einpeitscher am Mikrofon jederzeit ab.
Wer allerdings nur eine rudimentäre Vorstellung davon hat, auf welchem Niveau sich Battle-Rap im Jahr 2007 bewegt, kann bei des Horsemans Ansagen wie "When I rock the set with a P for Perfection" oder der gänzlich lächerlichen "Imaginary Battle" im besten Fall müde grinsen. Da liefert ja Kollege Gässlein härtere Punchlines! Die Aufforderung "Write some proper rap!" sei hiermit schwungvoll an ihren Absender retourniert.
"Lass uns tanzen oder ficken oder beides, denn morgen sind wir tot." In diesem Fall wähle ich bitte die zweite Option. Sollte heute wirklich mein letzter Tag sein, werde ich den bestimmt nicht mit einem Soundtrack unterlegen, der ohne die Dinge, die Hobby-Chemiker in ihren Garagen zusammen pantschen, schlicht nicht auszuhalten ist.
Und doch: Mehr als einmal musste ich von Herzen lachen. Gratulation zum großartigsten Songtitel des Jahrzehnts: "Horny In Jericho", das hat viel Schönes, ebenso die überaus gelungene Zeile "Nostalgia isn't what it used to be". Fatman Scoop sollte unbedingt zum vierten Bandmitglied erhoben werden: Sein Part passt in "Behind The Cow" wie der Arsch auf die Brille.
Für den Kontext, in dem sie operieren - die Großraum-Proll-Disco um die Ecke - liefern Scooter genau das Richtige. Eine allgegenwärtig ekstatisch röhrende Crowd und selbstredend die Verkaufszahlen sprechen für sich. Die Assoziation, die das Cover-Artwork nicht nur dem ebenso geschätzten wie besessenen Kollegen Schuh aufzwingt, kommt eben nicht von ungefähr: Es handelt sich bei "The Ultimate Aural Orgasm", so bitter es ist, um "Music for the Masses".
1 Kommentar
<3 Fromm.