laut.de-Kritik
Das musikalische Tagebuch eines Vampirs.
Review von Susi Schmid"Rosencrantz And Guildenstern Are Undead" ist Sean Lennons musikalischer Beitrag zum gleichnamigen Vampir-Streifen von Jordan Galland. Todernst schaut der Klavier spielende und blass geschminkte Sänger auf dem Cover drein. Schnell stellt man auch musikalisch eine gewisse Verwandtschaft zu Tim Burton/Danny Elfman-Scores fest, so düster und gleichzeitig heiter arrangiert der Ono/Lennon-Sprössling seinen wunderschön-schaurigen Kopfkino-Soundtrack.
Der Score zieht einen schnell in seinen Bann, schürt jedoch stets die Neugier auf den Plot des Films. Shakespeare-Kennern offenbaren sich besagte Herren Rosencrantz und Guildenstern sofort als Hamlet-Nebenprotagonisten. Cineasten kennen ihre Namen zudem aus der Theaterstück-Adaption "Rosencrantz And Guildenstern Are Dead" (1990), die die Geschichte Hamlets aus der Sicht der unbeholfenen und einfältigen Hofleute Rosenkranz und Güldenstern parodiert.
Jordan Galland, Independent-Regisseur und befreundeter Musiker von Lennon, treibt nun das Spiel noch etwas weiter und integriert Vampire in das bunte Treiben, was die klassische Shakespeare-Tragödie zwar etwas in den Hintergrund rückt, jedoch höchst komödiantisches Potential verspricht.
Mit Lennon als Film-Komponisten hat Galland einen passenden Partner gefunden. Er arrangiert die Instrumentierung einfühlsam und filigran zu einem atmosphärisch dichten Gesamtkonzept. Mit Streichern, Gitarren und wunderlichen Instrumenten schafft Lennon eine eigentümliche Geräuschkulisse, die dem Film bestimmt in nichts nachsteht.
Seltsam beschwingt kommen manche Stücke wie "Hamlet's Theme" daher, obwohl sie den Hörer alsbald in eine Art mitternächtliche Melancholie entlassen. "Fortenbras" lässt durch sein rhythmisches Klavierspiel und den Uhu-Rufen im Hintergrund nichts Gutes erahnen, bis Lennon im nächsten Stück ganz offensichtlich auf "Yoricks's Skull" herumtrommelt.
Das Glockenspiel aus "Elsinore Revisited" verzaubert den Hörer, nimmt ihn an der Hand und führt ihn mit "'s Blood" und dem idyllischen "Bobby's Bedroom" an einen Twin Peaks-haften, gleichsam einlullenden Ort, an dem nichts so ist, wie es scheint.
Wäre da nicht das stilbrechende letzte Stück, auf dem sich Lennon von Cibo Matto-Sängerin Miho Hatori und Kool Keith Unterstützung holt. Keine schmeichelhaften Orchesterarrangements schließen dieses Werk ab, sondern smoothe Beats und smarte Sprechgesänge, die angebliches "Desire" artikulieren. Ein leicht irritierendes Ende eines ansonsten gefühlvoll abgestimmten Scores, der auch ohne Film wunderbar funktioniert.
1 Kommentar
Großartig, danke, laut.de, die Veröffentlichung ist völlig an mir vorbeigegangen. Beim Seans letztem Album hatte ich mich geärgert, daß nirgendwo etwas davon zu lesen war hier. Ist ein wirklich genial gewesen.
Die Review macht auf jeden Fall neugierig. Es haben nach wie vor viel zu wenig Leute erkannt, was für einen brillianten Sprössling John Lennon da in die Welt gesetzt hat...