laut.de-Kritik
Zum 25. Todestag noch einmal Liebe, Erotik und Höllengrooves.
Review von Michael SchuhIm März jährte sich sein Todestag zum 25. Mal: Serge Gainsbourg, französisches Nationalheiligtum, legendärer Chansonnier und Choleriker (oder andersrum). An seiner Seite glänzten vor fünf Jahrzehnten Brigitte Bardot, Juliette Gréco, France Gall und Jane Birkin und als Gainsbourg 1985 in einer Talkshow der jungen Whitney Houston gegenüber sturzbetrunken ungalante Wunschvorstellungen äußert ("I would like to fuck you"), sorgte er noch einmal weltweit für Schlagzeilen.
Worüber man zu diesem Zeitpunkt leider nicht mehr redete, war seine großartige Musik. Doch die wird für immer im Mittelpunkt bleiben. Überredete man zum 15. Todestag vor zehn Jahren zeitgenössische Künstler wie Franz Ferdinand, Portishead, Michael Stipe oder Pulp-Sänger Jarvis Cocker zur Teilnahme am gelungenen Cover-Album "Monsieur Gainsbourg Revisited", huldigt das Label diesmal wieder dem König selbst. "London Paris 1963 - 1971" beinhaltet 24 Songs, die Gainsbourg in dieser Zeitspanne in den beiden Metropolen aufgenommen hat und vereint damit auch zahlreiche Klassiker abseits des totgenudelten "Je T'aime Moi Non Plus", die seinen Ruf als vielseitigen Komponisten begründen.
Die vorliegende LP-Version, die dem CD-Release vom März glücklicherweise folgen durfte, beginnt denn auch mit der erwähnten Muse Jane Birkin, die "Je t'aime" einstöhnte. Jenen Welthit, den 1967 zunächst Gainsbourgs damalige Geliebte Brigitte Bardot aufnahm, die den Spaß dann aber zu anzüglich fand. Ein lässiger Basslauf leitet "69 Année érotique" ein und unterstreicht in Birkins Refrain die Aussage von "Je t'aime": 1969 war zweifellos das erotische Jahr für Superstar Gainsbourg und seine Lebensgefährtin.
Das höllische Grooveverständnis des Franzosen manifestiert sich im psychedelischen "Requiem Pour Un C..." oder dem zwielichten "Danger", sein Händchen für zeitlose Melodien im Kinks-(ballad)esken "Comic Strip" sowie der Bardot-Koop "Bonnie And Clyde" oder natürlich im epochalen Orchester-Monster "Initials B.B.". Swing when you're winning? Da schwang im spätgaullistischen Frankreich nur einer das Zepter.
Ob es der dreckige Funk des Blaxploitation-Genres der frühen 70er mit Wah-Wah-Gitarren und wilder Perkussion ist oder der Lounge Pop-/Café del Mar-Hype der 90er: Viele Versatzstücke findet man bereits in den Songs des ehemaligen Bar-Pianisten wieder, der die Gabe besaß, die Leichtigkeit des Easy Listening mit altem Swing oder auch Jazz-Einschüben zu verweben. Vielleicht auch weil diese Songs selten den Sprung an die Chartsspitze in anderen Ländern schafften, nannte die altehrwürdige Times Gainsbourg einst "einen der unterschätztesten Künstler des 20. Jahrhunderts."
Gut in der Tracklist vertreten sind seine großen Alben "Initials B.B." (1968) und "Jane Birkin/Serge Gainsbourg" aus dem folgenden Jahr, aus seiner Frühzeit Anfang der 60er lässt man vieles unter den Tisch fallen. Die Integration des kaum bekannten Geniestreichs "Vilaine Fille, Mauvais Garçon" muss daher gesondert hervorgehoben werden. "London Paris 1963 - 1971" bietet einen perfekten Start für Einsteiger ins Ouevre des begabten Musikers, für die Kenner ist höchstens das ansprechende Cover und die Instrumentalversion von "69 Année érotique" interessant.
2 Kommentare mit 3 Antworten
super, don z
natürlich schade, dass man hierzulande oft nur über complilationen die "vieille canaille" kommuniziert. im grunde braucht der zu gegebener zeit auch mal nen meilenstein. das wäre dann wohl "melody nelson".
Kommt irgendwann. "Melody Nelson" ist natürlich top auch als Überleitung in die experimentelleren 70er, man könnte aber auch "Initials" oder "Vu de l'exterieur" nehmen ...
"Melody Nelson" wäre ein verdienter Meilenstein. Längst überfällig.
https://www.facebook.com/Melody-Nelson-Bar… Die Scheibe hat auch noch eine Bar. Ok ihr wollt ja nicht diskutieren. Na ja egal.....
was sonst außer MN?