laut.de-Kritik
Mainstream Oriental-Pop auf Teddybärchen-Niveau.
Review von Kai Kopp"Here I Am, ready for your Love" singt Sertab im Refrain des Openers "Here I Am". Pünktlich zur Europa-Osterweiterung tritt die türkische Grand-Prix-Gewinnerin mit einiger Verspätung an, die Herzen Europas auch außerhalb des Eurovision Song Contest-Wirbels zu erobern (die Veröffentlichung war ursprünglich für Januar vorgesehen).
Obwohl sich die Türkei nach wie vor schwer tut, die Grenzen zu Europa politisch niederzureißen, ist sie musikalisch längst in Deutschland angekommen. Künstler wie zuletzt Tarkan implantieren die orientalischen Tonleitern und Hooklines in den teutonischen Gehörgängen und feiern damit grandiose Erfolge.
Die Singleauskopplung "Here I Am" macht unmissverständlich klar, wo der musikalische Hase lang läuft. Oder besser hoppelt, denn das ist Mainstream Oriental-Pop auf Teddybärchen-Niveau. Textlich und musikalisch bedient Sertab das Stofftier-werfende Publikum, obwohl sie auch anders könnte. Mit Textzeilen wie "Let's Go Back To The Beach", die über einem Eurodance-Fundament dahersäuseln, bewirtet sie unser Ballermann-Image, dessen Ruf wir nur allzu gerne folgen. Nicht dass wir es hier mit einer türkischen DJane Ötzi zu tun hätten, dafür ist ihre Stimme viel zu versiert. Immerhin hat Sertab eine sechsjährige klassische Ausbildung in Gesang und am Klavier genossen.
Vielmehr ist es so, dass in der Folge des Grand Prix d'Eurovision de la Chanson hurtig Britney Spears-Produzent Peter Kvint für ihr Europa-Debüt engagiert wird. Zielsicher bügelt Kvint nicht nur Ecken und Kanten aus ihrer Musik, sondern raubt gleichzeitig ihre Seele. Nicht umsonst genießt die Istanbulerin in ihrer Heimat den Ruf einer intellektuellen und erfolgreichen Künstlerin.
Da aber zu viel türkische Authentizität dem europäischen Ohr nicht zugemutet werden kann, singt Sertab für uns in englisch. Musikalisch bewegt sie sich dabei zwischen Hip Hop, Latin, R'n'B und viel Eurodance. Einzig die ordentliche Portion Orient sorgt für Abwechslung, ansonsten hören sich die Nummern ausgesprochen ähnlich an, auch wenn sie bei "Leave" ihr Opern-Organ eindrucksvoll in Szene setzt.
Auf "The One" lässt sie uns für einen kurzem Moment im Kontext einer Ballade an ihrer Sangeskunst teilhaben. Mit "Back To The Beach" beweist sie, dass sie auch vor niveaulosen Sommerhits nicht zurückschreckt. Die Nummer war bereits 2002 Pflichtprogramm auf allen türkischen Sommernachtpartys. Und obwohl "Love Bites" zu den stärkeren Nummern des Albums gehört, rücken die Rap-Einlagen den Song in verdächtige Nähe zu DJ Bobo.
Schade eigentlich! Ihrer Stimme hört man wirklich an, dass sie singen kann. Vielleicht kommen wir ja mal in den Genuss einer eigenständigen Sängerin mit musikalischem Profil. Das Zeug dazu hat sie.
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