laut.de-Kritik
Mr. Boombastic kehrt zurück zu den Dancehall-Wurzeln.
Review von Dani Fromm"Shaggy? Um Himmels Willen! Der hat seine besten Zeiten doch auch hinter sich." Woher diese offenbar weit verbreitete Einschätzung rührt, entzieht sich meinem Verständnis schon lange. Shaggys neuester Schlag zeichnet, zumindest stellenweise, ein ganz anderes Bild. Bei weitem nicht so poppig aufgebrezelt wie der Vorgänger "Clothes Drop", gräbt "Intoxication" seine Wurzeln wieder merklich tiefer in die ursprüngliche Dancehall-Kultur. Gut so!
So erfreut gleich zu Beginn "Can't Hold Me" mit dicken Bässen, die großer Leichtigkeit zum Shaken einladen. Eingängig, ohne nervtöted zu werden, klebt sich die Hookline ins Ohr, bevor Shaggy mit seiner wirklich und wahrhaftig unverwechselbaren Stimme das Credo der "real rude boys" in die Welt posaunt. Auf diese Art ließe ich mir das ein Album lang sehr gern gefallen.
Der Trommelwirbel, der das pianolastige "Mad Mad World" einleitet, verspricht nicht zu viel: Sehr angenehm vereinen sich die Stimmen Shaggys, Sizzla Kalonjis und Collie Buddz' singend und toastend in einer schonungslosen und dennoch melodischen, durchaus kopfnickbaren Bestandsaufnahme. In "Out Of Control" kontrastieren filigran gezupfte Saiten die hallenden Bässe. Mischieves Gesang pimpt "Wear Di Crown". "Criteria"s musikalisch dichte Struktur lässt beinahe einen Hauch vom Balkan herüber wehen. Sämtlich alles andere als übel.
Zudem wartet "Intoxication" mit wahren Perlen auf. Die erstklassig gewählte Vorab-Single "Church Heathen" zählt ohne jeden Zweifel dazu. Montags im Club gehört, verfolgte mich die Nummer noch am Freitag und ließ sich nur allzu gerne wieder und wieder aufwärmen: Ein düster grummelnder Hintergrund aus unbarmherzig stampfendem Bass, Kirchenglocken und choral-artigen Gesängen bereitet das Bett für die haarsträubenden Geschichten aus der ach so frommen Gemeinde: großer Sport!
Mindestens ebenso mächtig: "Woman Scorn". Hier übernimmt Nasha den (bedenkt man manch anderen Text) vollkommen zu Recht erbosten weiblichen Part. Tja, Mr. Lova Lova ... Wer in jedem Hafen eine Braut sitzen hat, beginnt seine Überlegungen, ab wann der Hase wohl falsch gelaufen ist, vielleicht ein bisschen zu spät, wenn er in den Pistolenlauf seiner wütenden Gefährtin blickt. Verpackt in eine üppig instrumentierte Reggae-Nummer sorgt auch dies für ausgesprochen amüsanten Hochgenuss.
Der Titeltrack, dem Synthies und Claps einen leichten 80er-Touch verleihen, beschreibt den Suff und seine wohl vertrauten Folgen so bildlich und unterhaltsam, dass ich den etwas mageren musikalischen Unterbau problemlos verzeihe. Was lernen wir daraus? Auch im Reggae- und Dancehall-Bereich schadet es überhaupt nichts, wenn man sich ein wenig Mühe mit der Story gibt.
Im Vergleich zu derart filmreifen Szenarien nehmen sich Tracks wie "More Women", "Body A Shake" oder auch das in Richtung Rocksteady driftende "Bona Fide Girl" dann doch ziemlich dröge aus. Eh, Mister! Das ist "for the ladies"? Come on! Ein bisschen Inhalt können wir schon vertragen. Wirklich wahr!
Solcherlei Hohlkörper, ein Akon, der, ob er nun mit Shaggy oder mit Eminem antritt, ewig gleich klingt ("What's Love"), und eine überflüssige Anbiederei an Bekanntes ("Those Days", in dem Nasha, zu hübsch finsterem Groove zwar, das an allen Lagerfeuern der westlichen Welt durchgenudelte "Those Were The Days" aus der Mottenkiste zieht) versauen allerdings den Gesamteindruck erheblich. Schade.
2 Kommentare
so ziemlich zum ersten mal würde ich einen Punkt mehr als Dani geben
einmal ist keinmal