laut.de-Kritik

Diese Soundmonster von epischer Größe bergen viele magische Momente.

Review von

Diorama, das, im 19.Jahrhundert beliebte, auf wechselnde Effekte angelegte Schaubühne in einem dunklen Raum, erfunden von Daguerre. Heutige Diorama sind zu Lehrzwecken meist in einem Schaukasten zusammen gestellte plastische Darstellungen mit gemaltem Hintergrund.

Ungewöhnlich, um nicht zu sagen traumhaft, gerät der Einstieg. Cembalo-Klänge, sanfte Bläsersätze und geschickt arrangierte Streicher blasen "Across The Night" zum Soundmonster von epischer Größe auf. Van Dyke Parks, der auf sage und schreibe 22 Beach Boys Platten mitgewirkt hat, zeichnet für Fiedel und co. verantwortlich und meint sogar, dass Daniel Johns das größte Talent, mit dem er zusammen gearbeitet habe, seit Brian Wilson sei. Hinter diese Aussage setzen Daniel Johns, Ben Gillies und Chris Joannou mit Album Nummer fünf ein großes Ausrufezeichen.

Überrascht zu Beginn eher die Instrumentierung und die Melodielastigkeit der Songs, kommt man aus dem Staunen spätestens nach dem zweiten Hören nicht mehr heraus. Was hier auf CD gebannt wurde, riecht verdammt nach Klassiker. Nach Jahren des Suchens sind die Silberstühle am Ziel angekommen: Großartige Rockmusik zu schreiben, die sich nicht mehr an den großen Vorbildern messen muss. Wurde der Cobain-Mantel schon mit "Neon Ballroom" in den Altkleider-Sack verbannt, so haben sie jetzt ihre eigene Kollektion am Start. Des Stuhles neue Kleider sind aber alles andere als Blendwerk, denn Substanz kann man nicht kopieren. Von eben dieser hat "Diorama" jedoch mehr als genug.

Die Ausgewogenheit zwischen orchestralen Passagen auf der einen und Riffbrettern auf der anderen Seite nötigt zusätzlichen Respekt ab. Mit bis in die untersten Kellerregionen tiefer gelegten Gitarrenparts kommt das knackige Rockelement nicht zu kurz - "One Way Mule" kann hier als Beispiel her halten. Dass sich die energetischeren Elemente nicht mit swingenden Stücken wie "Tuna In The Brine" beißen, macht die magischen Momente von "Diorama" aus.

Alles in Allem haben Silverchair mit ihrem neuesten Werk einen Quantensprung hin gelegt, den man ihnen nicht unbedingt zutrauen konnte. Auch dass sie ihre Lektionen aus der Musikgeschichte gelernt haben, beweist "Diorama" eindrucksvoll. Wer immer noch den alten vergrungten Tagen hinterher trauert, sollte um das neue Ouevre besser einen großen Bogen machen. Nur muss sich das Trio in Zukunft an dieser Überscheibe messen lassen. Ob "Diorama" für sie zum "Nevermind" wird? Hoffentlich nicht, denn dann kann man sich auf weitere 'in einem Schaukasten zusammen gestellte plastische Darstellungen mit gemaltem Hintergrund' freuen.

Trackliste

  1. 1. Across The Night
  2. 2. The Greatest View
  3. 3. Without You
  4. 4. World Upon Your Shoulders
  5. 5. One Way Mule
  6. 6. Tuna In The Brine
  7. 7. Too Much Of Not Enough
  8. 8. Luv Your Life
  9. 9. Lever
  10. 10. My Favourite Thing
  11. 11. After All These Years

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