laut.de-Kritik
Balladenlastige Platte verziert mit punkigen Brechern
Review von Martin MengeleNomen est omen, dachten sich Silverchair bei der Namensauswahl zum neuen Album "Neon Ballroom". Die darauf enthaltenen Stücke sollten eine musikalische Brücke zwischen Althergebrachtem um neuem High-Tech schlagen und gleichzeitig noch heftig rocken. Hohe Ziele, Leader Daniel Johns scheint nicht mehr so leicht zufriedenzustellen. Da bedient man sich doch auch mal eines Sydney Symphony Orchestra und des Klaviergenies David Helfgott, wenn man sie gearde zur Verfügung hat, um seinen Songs den letzten Schliff zu geben. "Emotion Sickness" erinnert jedoch beim ersten Hören wie eine Kollaboration von den Smashing Pumpkins mit Rondo Veneziano.
Jaja, der gute alte Classic-Rock, eher ein Konzept alternder Rock-Saurier, die vom Aussterben bedroht sind. Fügt sich aber ganz passabel in die neue Chair-Platte ein, wobei wir bei Silverchair doch gerade diese junge, unverdorbene und ungeschliffene Rohheit zu schätzen wußten. Von der ist aber nichts verloren gegangen, was man spätestens bei "Spawn Again" zu hören kriegt, die überarbeitete Version des Silverchair-Beitrags zum Spawn-Soundtrack. Ein echtes Hammerriff gepaart mit einem ausgesprochen schrägen Synthi.
Dazu ein enorm agressiver Daniel Johns am Micro - man merkt nicht, daß der Typ erst vor fünf Jahren mit dem Stimmbruch fertig war. Und nicht nur singen kann er, ja auch klasse Rocksongs schreiben, man hört quasi die "Emotion Sickness", die ihn zu der etwas balladenlastigen Platte inspirierte. Wahrscheinlich deshalb so balladenlastig, weil dieses Projekt praktisch von hinten aufgezäumt wurde. Zuerst schrieb Johns ein paar Lyrics, während die Musik sukzessive drum herum komponiert wurde. Deswegen schlagen sich punkige Brecher wie "Satin Sheets" auf der CD nicht so recht in den Vordergrund, obwohl sie würdige Nachfolger von Nirvana's "Territorial Pissings" sein könnten.
Man hört auch neuerdings von einer Magersucht, an der der arme Kinderstar leiden soll. Das entschuldigt wenigstens seine jetzige Optik, die zunächst an eine hippe Heroin-Lock-Verkleidung denken ließ, die nun eigentlich nicht mehr zum Sound passen will. Die Fans sehen sich von dem ganzen Stargetue aber nicht im geringsten gestört. Sie erklärten die aktuelle Single "Anthem For The Year 2000" prompt zu ihrer Hymne und ließen sie weltweit in die Charts hinaufschießen, in Australien direkt auf Platz 1.
Von der neuen CD gibt es übrigens eine Limited Edition mit zwei eher unbrauchbaren Remixen und dem bisher unveröffentlichten Video zu "Emotion Sickness", einer netten Geschichte über einen frustrierten Teen der im Bett in seinen eigenen Tränen fast ertrinkt. Wirklich süß gemacht und auf jeden Fall ein kleines Aufgeld wert.
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