laut.de-Kritik
Zwischen Higschool-Punk und kontrollierter Härte.
Review von Jan HassenpflugAufmüpfige Power-Chords, schunkelnde Rhythmen und kühne Melodien: Der verkopfte Teenager voller Selbstzweifel ist stabiler geworden. So lässt sich die Wandlung vielleicht am besten beschreiben, die Silverstein seit Discovering The Waterfront durchlebt haben. Die Aussichtslosigkeit im Ausdruck der Kanadier ist einem kämpferischen Optimismus gewichen.
Auch wenn Zeilen wie "How can I be an optimist, when all this feels infinite?" exemplarisch für den Emo-Blues stehen: Der Ton macht inzwischen eine andere Musik. Silverstein haben die negativen Wirrungen des Lebens angenommen: "I'm good with bad habits". So passt es wunderbar ins Bild, dass "Infinite" allen Schwarzsehern aus der Seele spricht, der headbangende Chorus aber trotzige Entschlossenheit verkörpert. Übrigens das alles überstrahlende Hit-Monster der Platte.
Bereit für den Dancefloor, reiht sich "Coming Down" da nahtlos ein. Das Fan-Herz lacht: Die Core-Helden bestehen die Reifeprüfung, ohne die eigenen Wurzeln zu verleugnen. "A Beautiful Place To Drown" hat wieder einmal schnörkellose Nummern im Gepäck, irgendwo zwischen aufgekratztem Pop-Punk-Geschrammel und kontrollierter Härte.
Insgesamt gerät die Platte eine Spur poppiger als der starke Vorgänger "Dead Reflections". Mitunter hart an der Grenze zum Radio-Allerlei, manchmal drüber ("All On Me"), stinkt sie im Vergleich ab. Dennoch gelingt die schmale Gratwanderung in den meisten Momenten ziemlich gut.
Wieso auch nicht, bei so viel fremder Schützenhilfe? Im besten Fall sind Features belebende Elemente, kleine süße Überraschungsbonbons. Ist allerdings jeder zweite Song mit einem Gastauftritt gespickt, riecht das auffällig nach plumper PR. Seis drum, "Bad Habits" oder "Burn It Down" steht die Unterstützung schließlich ganz gut zu Gesicht.
Bei letzterem gibt Caleb Shomo ("Beartooth") wachrüttelnde Impulse. Seine Shouts haben gleich eine andere Intensität. Rums, endlich hält der Breakdown einmal, was er im Spannungsbogen verspricht. Bei einem solchen Zusammenspiel zeigt sich nämlich auch, dass es den Kompositionen drumherum an Punch fehlt.
In der zweiten Albumhälfte nimmt dieser Eindruck Überhand. "Say Yes", "Stop" oder "September 14th" sind einfach gestrickte Liebeserklärungen an den Highschool-Punk, die krampfhaft wild vor sich hin plätschern. Nette Songs, die aber untergehen, bevor sie überhaupt auf sich aufmerksam machten.
Demgegenüber steht "Shape Shift", das Nostalgie versprüht, die negativen Gefühle nicht überspielt und so Tiefe entwickelt. Ein Schmuckstück für Liebhaber und ein willkommenes Stimmungstief, bevor der Optimismus wieder die Kontrolle übernimmt.
Die Highschool-Geschichte braucht nämlich ein Happy End. Wie passend, dass sich Silverstein die hoffnungsvolle Abschlussball-Ballade "Take What You Give" für den Abschied aufgehoben haben. Die geht tatsächlich klar, und sogar "Simple Plan" sind mit Sänger dabei. Mal ehrlich: Das haben andere schon schlechter erzählt.
1 Kommentar
Also All On Me ist straight up Pop. Frag mich was sie sich dabei gedacht haben. Der Text ist oke und das Saxophon Solo ist wohl das beste an dem Lied. Leider ist es nicht ganz so gelungen wie bei Afterglow vom letzten Album. Habe das Gefühl, dass sich das bei dem neuen Album (siehe All on me) etwas mehr wie Eskimo Callboy, Dance Gavin Dance oder Bring me the Horizon anhört. Finde schade, dass die sich auf ein solches niveau herabbegeben.
Aber wie bei jedem Album gibt's natürlich sehr starke und auch schwächere Lieder.