laut.de-Kritik
Klinische Arrangements und ein keuchender Sänger.
Review von Sven KabelitzIn leeren Shopping Malls findet man sie. Die Musik, die wirklich niemanden stört. Während die letzten Kunden bereits gegangen sind und nur noch ein paar müde Angestellte den Dreck wegräumen und den Boden wischen, dudelt sie im Hintergrund. Sie reißt niemanden mit, sie ist nicht einmal so schlecht, dass man sich über sie aufregen kann. Sie ist einfach da und vollkommen egal.
So wie Simply Reds "Symphonica In Rosso". Dabei stammen die Vorlagen von teilweise wirklich guten, mit Pop verfeinerten Blue Eyed Soul-Alben wie "Picture Book", "A New Flame" und "Stars". Keine Meilensteine, aber Longplayer, die den Soul in einer Zeit am Leben hielten, in denen er dank Abscheulichkeiten wie "Solid" (Ashford & Simpson) und "I Just Call To Say I Love You" (Stevie Wonder) bereits röchelnd am Boden lag. Longplayer, die über einen sanften Groove und nicht zuletzt über Mick Hucknalls einzigartige Stimme verfügten.
Davon findet sich auf "Symphonica In Rosso" nichts mehr. Zwar setzen Bild und Bühnenshow das Programm schön in Szene, der Funke springt aber einfach nicht über. Unter dem Kitsch und Zuckerguss, die das Orchester über die Songs ausschüttet, erstickt jede Emotion. Dazu hat die Zeit doch einige Narben in Hucknalls Stimme hinterlassen, die man auf "Big Love" in dem Ausmaß noch nicht hörte. Er klingt durchgehend beschlagen, bei manchen Einsätzen fast hustend und keuchend.
Die Atmosphäre ist klinisch und steril. Das Orchester und Hucknall harmonisieren in den Momenten am besten, in denen sie nicht auf Simply Red-Hits zurückgreifen und stattdessen alte Swing-Klassiker wie "All Or Nothing At All" oder das mehr als ausgelutschte "My Way" spielen. Stücke wie "Home", "It's Only Love" oder "For Your Babies" bleiben hingegen schrecklich blutleer. Als hätte jemand ihnen ihr Leben und ihre Energie ausgelutscht.
Als wäre dies nicht genug, begleitet die Aufnahmen zeitweise ein unangenehm lautes Rauschen, das gerade in den ruhigsten Momenten wie in "So Beautiful" stört. Wenn Mick in dem Song "I was listening to this conversation" singt und im Anschluss ein deutliches Lachen aus dem Publikum erklingt, hat das zwar eine gewisse Komik, allerdings auch die Ausstrahlung einer Bahnhofshalle bei Nacht. Wenn er dann noch die Zuschauer "Does anyone out there really care?" fragt und die Antwort nicht wie aus dem Hals von mehreren tausend Menschen, sondern nach dem beschwipsten Jahrestreffen der Tüchersfelder Kegelmannschaft klingt, ging etwas beim Versuch, das Live-Erlebnis auf einen Tonträger zu bannen, gehörig schief.
Große Experimente blieben aus. Vom Orchester abgesehen halten sich die Arrangements buchhalterisch an die Vorlage, ziehen nur deutlich an der Bremse. "A New Flame", "Something Got Me Started" und "Fairground" schaffen gegen Ende etwas Schwung, aber auch nicht den Spagat, an dem das Aufeinandertreffen von Pop und Klassik meistens scheitert. Die auf einem Album für sich funktionierenden Tracks werden mit Instrumenten nur so überfrachtet, bis jede kleinste Ecke zugekleistert ist und kein Platz mehr zum Atmen bleibt. Die Musiker spielen nicht miteinander, sondern gegeneinander, als wollten sie sich gegenseitig aus dem Song drängeln.
Pflichtbewusst gehen mit dem Harold Melvin and the Blue Notes-Cover "If You Don't Know Me By Now" die Lichter aus. Die letzten Mitarbeiter der Shopping Mall schließen die Türen ab und gehen nach Hause. Ein neuer Tag wartet.
3 Kommentare mit einer Antwort
Rothaarige Künstler werden hier bei laut.de doch schon aus Prinzip schlechter bewertet.
you were right about Mick Hucknall, his music is rubbish and he's a ginger
https://www.youtube.com/watch?v=5JfXzvCrn9c
Hässlichstes Cover des Jahres. Darunter kommt nichts mehr.
Die Stimme ist leider nicht besser geworden, die Arrangements sind purer Bombast.
[https://tagpacker.com/user/peterhbg?t=Simp…