laut.de-Kritik

"I'm over 20 now, but the teenage angst still reigns."

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"I'm over 20 now, but the teenage angst still reigns." Nichts könnte das zweite Sizarr-Album besser beschreiben als dieser Satz, entnommen aus der Mitte des Songs "Untitled": Die drei Musiker Fabian Altstötter, Marc Übel und Philipp Hülsenbeck haben nicht verlernt, ihrem Hang zur latenten Depression etwas abzugewinnen, doch sie finden auf "Nurture" einen anderen Zugang zur Nachdenklichkeit als noch zuvor. Denn als leidende Jungmelancholiker wollen die Ex-Landauer auf gar keinen Fall verstanden werden.

In so einer Ecke fand man die Band schnell wieder, erweckte doch gerade die allseits gefeierte erste Platte aus dem Jahr 2012 den Eindruck, hier sei jemand geprägt von morbider Landluft-Langeweile. Inzwischen haben sich einige Veränderungen eingestellt: Die Band wohnt nun über Deutschland verteilt, namentlich Frankfurt, Hamburg und Berlin. Offenbar genau die richtige Entscheidung, vor dem "schwierigen zweiten Album" die Distanz zu suchen.

Nicht, dass sich die räumliche Entfernung auf "Nurture" direkt widerspiegeln würde. Jedoch zwang sie die Band dazu, ihre Ideen hauptsächlich online auszutauschen. Außerdem seien die Songs im Prozess ihrer Entstehung immer wieder mit den ersten Demos abgeglichen worden. Und das zeigt Effekt: Keines der Stücke wirkt unnötig überladen.

Im Vergleich zu "Psycho Boy Happy" erfolgte auf dessen Nachfolger sogar die musikalische Entschlackung. Herzstück bilden meistens nur ein grooviger Bass und eine effektgeladene Gitarre. Synthesizer schmücken die Tracks dann mit eingängigen Melodien aus, werden von der Band aber generell reflektiert und eher für die Details eingesetzt. "Nurture" offenbart hier also einen eher klassischen Pop-Ansatz, irgendwo zwischen organischem Funkfetisch und artifiziellen Effektwolken.

Erfrischend, wie Sizarr der Musikwelt den Spiegel vorhalten und ihr ein kontemporäres Best-Of kredenzen. Konsequent kristallisieren sich immer wieder subtile Melodien heraus und jeder Track trägt irgendwo eine kleine Dance-Hymne in sich. Auch, wenn das jetzt nach übertriebenem Zeitgeist klingen mag, bildet das vielmehr einen geerdeten Gegenpart zum aktuellen Trend.

Sizarr stehen weniger dafür, im Tanz Sex und Laszivität zu finden, sondern sezieren ihre Umwelt vielmehr von der Tanzfläche aus. Dennoch erweisen sich die Songs allesamt als sehr zielstrebig. "Clam" gibt den zurückhaltenden, aber dennoch emotionalen Opener ohne überflüssiges Pathos. Besser könnte das auch Twin Shadow nicht. "Slender Gender" wiederum bedient sich im Mittelteil ganz offen an Alt-J.

Auf "Nurture" steht die markante Stimme von Sänger Fabian Altstötter noch mehr im Mittelpunkt. Oft erweist sich die Musik nur als präzises Instrument, um den Gesang zu inszenieren. Wenn Altstötter in "Baggage Man" dann in wunderbarer Manier über "Einsamkeit" klagt, nimmt man ihm die Emotion ohne Wenn und Aber ab. "Untitled", eine nackte Ballade mit Klavier und stimme, wirkt hingegen unnötig reduziert. Ein zu gewollter Feuerzeug-Moment, den die Platte (abgesehen vom eingangs zitierten Text) nicht nötig gehabt hätte.

Es ist vollbracht! Sizarr haben eine eindrucksvolle zweite Platte nachgelegt. Einerseits, weil das Album trotz schwächerer Tracks ("Scooter Accident", "Untitled") in sich stimmig ist, diese gar kaschiert. Zum anderen offenbart "Nurture" die außergewöhnliche Auffassungsgabe der Band für gut gemachten Pop: Sizarr weisen eine großartige Affinität für Melodien auf. Wenn doch nur jeder seine teenage angst so eindrucksvoll kanalisieren könnte!

Trackliste

  1. 1. Clam
  2. 2. I May Have Lied to You
  3. 3. Baggage Man
  4. 4. Timesick
  5. 5. Scooter Accident
  6. 6. Untitled
  7. 7. Slightly
  8. 8. Slender Gender
  9. 9. You and I
  10. 10. How Much for This

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