laut.de-Kritik
Ein Eimer voller Filler-Parts.
Review von Yannik GölzStellt Euch vor, Ihr befindet Euch auf der seit Jahren ersten Familienfeier Eures absurd großen Verwandtschaftskreises. Ihr sitzt am Tisch neben Eurem eigentlich ziemlich coolen Großonkel, ein lockerer Kerl, der immer für einen Witz zu haben war und den eigentlich jeder stets gemocht hat.
Zuerst freut Ihr Euch, ihn wiederzusehen. Man läuft ihm zwar sowieso hier und da über den Weg, aber trotzdem erinnert Ihr Euch an viele gute Zeiten mit ihm. Die Hoffnung auf ein entspanntes, lockeres Gespräch über Gott und die Welt verblasst jedoch zügig, als er anfängt, euch unermüdlich vollzulallen.
Immer dieselben, formelhaften Phrasen und Tropen vom Stapel zu lassen, er suhlt sich in Nostalgie, und seinen gähnend langweiligen Redeschwall unterbrechen nur ab und zu dazwischenredende andere Onkel, Schwager, Cousins, Tanten, Neffen, Nichten und Haustiere. Manche kennt Ihr, manche nicht. Manche mögt Ihr, manche nicht. Irgendwann schmerzt die Bierbank Eurem Gesäß, der Atem Eures Onkels scheint mit jeder Silbe übler zu riechen und Ihr wollt nichts sehnlicher, als endlich nach Hause zu gehen und Euch ins Bett zu legen.
Nun stellt Euch vor, Ihr könnt diesen fantastischen Zustand ohne gutes Essen und Freigetränke bei Euch zu Hause emulieren, einfach mit einem Griff in Euer CD-Regal: Mit diesem Gefühl wird Euch "Neva Left" zurücklassen. Das inzwischen fünfzehnte Album der Westküstenlegende Snoop Dogg verspricht an sich viel: Das Cover stellt einen Throwback in Aussicht, der Titel suggeriert die Ambition, seinen Stellenwert auch in der heutigen Szene zu rechtfertigen. Klingt doch eigentlich ganz vernünftig, oder?
Zunächst zeichnet sich dabei sogar ein Konzept ab: Die vier einleitenden Stücke resamplen jeweils einen alten Ostküsten-Klassiker. "Neva Left" basiert auf dem Sample von "C.R.E.A.M." ("As Long As I've Got You" von den Charmels) , "Moment I Feared" auf dem gleichnamigen Slick Rick-Track, "Bacc In Da Dayz" verweist auf "Check The Rhyme", und "Promise You This" verwendet das selbe Sample wie "It Takes Two" von Rob Base und DJ E-Z Rock ("Think" von Lyn Collins).
Das Problem? All diese Nummern geraten furchtbar langweilig. Auf den "Hey, wir nehmen Klassiker und samplen sie einfach neu!"-Gedankengang scheint im Studio niemand die Frage "Und dann?" eingewendet zu haben. Am Ende des Tages bleibt der geneigte Hörer mit Tracks zurück, die an wesentlich bessere denken lassen. Aber vielleicht bereitet es dem ein oder anderen Oldschool-Head ja nostalgische Freude, die nervigen Snoop Dogg-Fillerverses zu hören, die es nie auf ihre Lieblingstracks geschafft haben.
Apropos Filler: Die nächsten gefühlten zweihundert Tracks fallen genauso nichtssagend aus, nur diesmal eben ohne grundlegende Idee dahinter. "Big Mouth" ist eine halbherzige Tirade gegen die Hater, "Trash Bags" stellt eine irritierend deplatzierte Trap-Nummer dar, die nur wegen ihrer gähnenden Ambitionslosigkeit ins Albumkonzept zu passen scheint, und die restlichen Verses auf diesem Projekt bestehen zu großen Teilen aus einem Snoop Dogg, der von sich selbst gelangweilt wirkt.
Erst ab Station zehn, "420 (Blaze Up)", bemerkt der Altmeister offenbar, dass es noch Themen gibt, über die er gerne spricht. (Ratet mal, worüber genau.) Dafür ernten wir sogar den zweitbesten Beat der Platte, nur um den Titel dann mit den beiden uninspiriertesten Gastbeiträgen auf "Neva Left" zu verwässern. Danke an Wiz Khalifa und einen anderen Typen. Der beste Beat der Platte folgt unmittelbar: Auf "Lavender" darf Produktionshoffnung BadBadNotGood im Zusammenspiel mit Kaytranada an die Drücker. Sehr erfrischend, Snoop Dogg auf dieser Platte noch einmal auf so etwas wie einem Groove zu hören. Da erinnert man sich ja fast daran, wie viel Spaß dieser Kerl musikalisch eigentlich machen kann.
Es folgt noch ein fantastischer Verse von KRS-One, und der Hoffnungsschimmer endet so abrupt wie er gekommen ist, auch schon wieder. Abseits dieser kurzen Strecke breiten sich gähnende Langeweile und eine Compilation an Fillerparts aus. Kein Best-of, kein Worst-of, vielleicht ein Most Mediocre-of.
Es ist ja nicht so, als sei "Neva Left" von vorne herein zum Scheitern verurteilt gewesen. Wären die Features auf mehr als Namechecks bedacht, hätten die Produzenten hier und da ein wenig mehr Drall walten lassen und hätte Snoop statt versuchter Bedrohlichkeit ein wenig mehr Selbstanspruch in seine Verses gelegt, dann ... dann wäre das Album immer noch ideenlos und zu lang. Aber zumindest hätten wir dann den Snoop Dogg zu hören bekommen, dem Snoop Dogg selbst mit einem nostalgischen Tränchen im Augenwinkel auf Albumlänge hinterherzutrauern scheint.
9 Kommentare mit 3 Antworten
Das klingt ja übel. Die vergleichsweise kurze Laufzeit und die im Schnitt positiven US-Kritiken haben eigentlich mein Interesse geweckt, auch wenn sein letztes rundes Rap-Album vor bald 11 Jahren erschien.
klingt doch eigentlich wie immer bei snoop dogg. der bläst doch seit jeher material, das für eine überragende ep oder ein okayes album reichen würde, zu einem doppelalbum auf.
Hauptsache er macht kein Trap und die reggeaphase ist zum Glück auch wieder vorbei. Let US Begin und Moment i feared kann ich gut hören, insgesamt aber Recht durchwachsen. Klingt eher wie ein Mixtape als wie ein Album.
Man könnte es auch positiv ausdrücken und ihn zum Vorreiter der Generation Playlist erklären. Sein bestes Release seit dem Debüt war aber ja tatsächlich die "7 Days of Funk"-EP. Snoop ist auf jeden Fall jemand, der sehr von einem strengen Executive Producer oder knackigen Projektrahmen profitiert. Auf seine 80-Minuten-Alben habe ich keine Lust mehr, wo es doch so viel Musik bei so wenig Zeit gibt.
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Snoop ist so eine Art Künstler, dem ich einen gewissen Legenstatus attestiere und viele seiner Tracks mag, mir jedoch seit weit über einer Dekade vollkommen egal ist was er macht
187
Mount Kushmore ist echt geil! ^^
Eure Wertung kann ich nicht nachvollziehen.
Das ist ein geiles Album! Fette Beats, Flow, relaxed!
Klar ist das kein Meilenstein der Musikgeschichte, aber wenn man den durchaus nostalgischen Touch dieses Albums mit "dem jetzt nicht mehr so lustigen Onkel von früher" vergleicht,
dann ist meiner Meinung nach beim Hören was schiefgelaufen.
Schlechten Tag erwischt?