laut.de-Kritik
Das Gefühl unbekümmerter Jugend in trilingualer Ausführung.
Review von Johannes Jimeno"In all meinen Aufzeichnungen gibt es dieses Thema, dass ich mich ständig in einer Phase des Erwachsenwerdens gefangen fühle. Wahrscheinlich fühlte ich mich in meinen 20ern erwachsener, als ich noch einen Bürojob hatte. Jetzt, wo ich als Künstlerin arbeite, kommt mir das alles bizarr, willkürlich und regressiv vor. Es kann eine Art anarchistische Existenz sein, in der es keinen Sinn und keine Logik in meinem Zeitplan gibt, daher handelt dieses Album von dem Gefühl, keinen Anker zu haben."
Diese Selbsterkenntnis erklärt perfekt den Rahmen für das dritte Album von Sofie Royer. "Young Girl Forever" handelt von dem Gefühl unbekümmerter Jugend, von Leichtsinn, Unbeschwertheit, Liebeleien, aber auch schwereren Themen wie etwa dem heutigen Künstlerinnendasein im nihilistischen Indie-Poprock "Nichts Neues Im Westen". Musikalisch wählt sie größtenteils glitzernden Synthie-Pop mit 80s-Anleihen, sprachlich bietet sie ihre Erzählungen in einem Dreigespann aus Deutsch, Englisch und Französisch dar. Interessanterweise singt sie auch in jeder Sprache anders: Französisch scheint ihr am ehesten zu liegen, da fühlt sie sich extrem wohl, tropft der Akzent in ihr Englisch hindurch und lässt sie juvenil säuseln. Bei den beiden deutschen Liedern gleitet ihre Stimme in ein tiefes Timbre hinab und ihre Darbietung erscheint ernster.
Die studierte Psychologin und Philosophin beginnt ihr Projekt mit "Babydoll", einem französisch-englischen Elektro-Stampfer, in dem sie vom Verlangen dazuzugehören und vom Druck des Funktionierens in seiner Gesellschaft parliert. Ein E-Gitarrensolo vollendet den gelungenen Einstand und gleitet in den fröhlichen Uptempo-Track "Young-Girl (Illusion)", bei dem ein Glücksbringer in Form eines Hasen sie davon abhält, sich blindlinks Trugbildern hinzugeben, sondern in der Realität zu bleiben. Im von Synthies getragenen "Keep Running (Sebastian In Dreams)" sinniert sie darüber, dass es Durchhaltevermögen braucht, wenn man seinen Träumen nachgehen möchte. Gen Ende ertönt ein bezauberndes Geigensolo und der Refrain erinnert ein wenig an Empire of the Sun. Ein sehr hübscher Song!
Generell geizt das Album nicht mit Abwechslung, jeder Song schlägt seine eigene Richtung ein. "Indoor Sport", eine ironische Metapher übers Dating, versprüht den Charme des Romanian Popcorn. "I Forget (I'm So Young)" würzt ein bisschen Pet Shop Boys in ihren Dancepop samt Glockenschlägen, schwerem Piano und leichter Funk-Gitarre. Seichten Punkrock im Refrain hört man in "Lights Out Baby, Entropy!", dem schwächsten Beitrag, weil der Drive fehlt und sich das Tempo arg verschleppt. "Saturdee Nite", das die durchweg sympathische These beleuchtet, dass man nicht jeden Samstagabend Party machen muss, vermengt rockige mit elektronischen Elementen, und beim Rausschmeißer "Fassbinder" greift sie den Chanson-Flair einer Hildegard Knef auf.
Das klare Glanzstück hingegen trägt eine Pailletten-Jacke aus Funk-Pop: "Sage Comme Une Image" serviert ihn astrein und von erster Güte, L'Impératrice lässt grüßen. Dabei handelt es sich um ein recht originalgetreues Cover der portugiesisch-belgischen Sängerin Lio von 1982, bei dem es um die Unantastbarkeit eines wunderschönen Models geht. Ebenfalls ein stilleres Highlight der schwebende Synthwave "Ghost Town", was ein wenig an Phoenix zu "Ti Amo"-Zeiten erinnert und sich mit dem Zustand auseinandersetzt, dass sich das eigene Zuhause wie ein Geisterhaus anfühlt aufgrund von Reflexionen des anstrengenden Lebens.
"Young Girl Forever" dient als angenehmer Gegenpol zum reizüberflutenden Hyperpop. Es bedient viele Facetten des Pop, legt einen "Easy Listening"-Filter darüber, garniert mit süffisanter und flüchtiger Attitüde und das, ohne beliebig zu klingen. Die Österreicherin mit iranischen Wurzeln bringt vielleicht nicht das spannendste Organ mit sich, macht jedoch das Beste aus ihren Möglichkeiten. Davon darf es gerne mehr geben.
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