laut.de-Kritik
Synthie-Pop-Historie nicht nur für Spätgeborene.
Review von Michael SchuhAuch das musste kommen: die Soft Cell-Best Of nach der Reunion. Im letzten Jahr belegten die Schnupper-Konzerte, dass das kitschigste Duo der Synthie-Pop-Historie auch Spätgeborene begeistert. Folgerichtig gibts als Überbrückung zum neuen Studioalbum die Hit-Sammlung. Schweinchen Schlau. "The Very Best Of" ist vom Titel her aber doch arg übertrieben; Soft Cell hatten vielleicht gerade mal fünf Hits. Dennoch werden 15 alte Heuler, zwei Remixes und zwei neue Songs rausgehauen. Und ehrlich gesagt, das reicht dann auch.
Kollege Straub wird vermutlich beim Kreuzschritt Tanzen erstarren, dennoch behaupte ich, dass man von Soft Cell nicht jedes Studioalbum braucht. Das erste reicht eigentlich. Von diesem gibt es auf "The Very Best Of" mit "Tainted Love" natürlich die Blutgrätsche aller 80er Parties gleich nach dem famosen "Memorabilia". Die erste SC-Single pumpte dank Engineer Daniel Miller schon 1980 mit unwiderstehlichen Analogbeats. Auch der Non-Album-Track "Torch" musste hier drauf. Bis auf weniges Füllmaterial ("It's A Mugs Game", "Insecure Me") macht die chronologische Reise Sinn und Spaß.
Das Leuchten pinkfarbener Neonröhren vermittelt Marc Almonds Organ bekanntlich bei den Balladen. "Say Hello, Wave Goodbye" und "Loving You Hating Me" sind Prototypen theatralischer Songwriting-Kunst und gehören zum Besten, was schwülstiger Hedonismus-Pop der Früh-80er zu bieten hatte. Und heute? Almond singt immer noch wie damals. Nur das Equipment ist moderner geworden. Zumindest "Somebody, Somewhere, Sometime" ist deutlich technobeeinflusst, wirkt seltsam unruhig und will nicht zünden. "Divided Soul" knüpft dafür genau da an, wo Soft Cell 1982 leider aufgehört haben: an achtlos dahin komponierten Popsongs, deren wunderbare Refrains nicht zum Überlegen, sondern zum Tanzen animieren.
Bleibt nur noch zu erwähnen, dass gegen alle Erwartungen auch die Remixe gefallen: Almighty mixte "Say Hello, Wave Goodbye" clubtauglich und Soulchild hetzte dem leidgeprüften "Tainted Love" Breakbeats auf den Hals. Die Nummer brennt allerdings lichterloh und degradiert Rock-Kasper Manson zum Schminkpüppchen.
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