laut.de-Kritik
Es gibt gar keinen Grund, sich zu hetzen.
Review von David HilzendegenWenn die Speaker förmlich anfangen zu kleben, weil der Interpret in einer unnachahmlich kitschigen Attitüde einen Schmachtfetzen nach dem anderen zum Besten gibt, liegt eine Vermutung nicht fern: Solomon Burke hat eine neue Platte veröffentlicht.
Es ist derer sogar die sechste, nachdem er vor acht Jahren mit "Don’t Give Up On Me" ein fulminantes Comeback landen konnte. Einen Grammy hatte dieses Album zur Folge, das eigentlich kein richtiges Comeback darstellte, denn er war im Prinzip nie weg. In regelmäßigen Abständen erschienen Alben, die jedoch weitgehend unbeachtet blieben - einige unverständlicherweise, die meisten völlig zu Recht.
Hits wie "If You Need Me", "Cry To Me" oder "Everybody Needs Somebody To Love" stehen auf seinem Kerbholz, Koryphäen wie Mick Jagger, Rod Stewart und Tom Jones bezeichnen ihn als wichtigen Einfluss. Als wäre das nicht genug, führt er nebenher noch ein Bestattungsinstitut in seiner Gemeinde im Umkreis Philadelphias. 70 Jahre wurde der anerkannte King of Rock'n'Soul erst im März, 21 eigene Kinder hat er, die ihm wiederum 89 - in Worten: neunundachtzig - Enkelkinder bescherten. Stand 2008, wer weiß, was sich in dieser offensichtlich fruchtbaren Familie seither noch getan hat.
Die Familie steht, das musikalische Vermächtnis ist gesichert, das zweite Standbein ist schon lange aufgebaut. Welchen Grund hätte der 150 Kilogramm schwere Mann also, sich auf seine alten Tage noch unnötig zu hetzen? Dementsprechend langsam lässt er es auf "Nothing's Impossible" angehen. Burke braucht keine aufregenden Neuigkeiten mehr, das klassische Repertoire aus Orgel und emotionsschwangeren Streichern, gepaart mit eingängigen Basslinien und sanften Tonlagen, reicht völlig aus.
Bis auf "Everything About You" und "You're Not Alone" erinnert kein Titel an das "Rock" in Rock'n'Soul. Der Country, dem er bis 2006 noch hin und wieder gefrönt hatte, spielt nunmehr eine noch kleinere Rolle. Vielmehr schmachtet sich Solomon Burke durch 50 mit Liebesgrüßen und Herzschmerz vollgepackte Minuten: "I cryed a tear, you wake to try. I was confused, you cleared my mind." ("You Needed Me") Der Standard ist klar gesetzt und wird eiskalt und routiniert durchgezogen: "Early in the morning, I'm thinking of you, if its raining, if its storming, even if the skys are blue" ("Oh What A Feeling").
Die Offenbarung ist das natürlich nicht. Aber wer seit fast 50 Jahren unverdrossen Platten veröffentlicht, dabei ein ständiges auf und ab der Karriere erlebt und sich trotz erstaunlicher Erfolge bis heute hinter Marvin Gaye, Otis Redding und Sam Cooke anstellen muss, dem sind wohl ganz andere Dinge wichtig. Den in seinen Hochzeiten überwiegend durch weiße Käuferschichten bestimmten Pop-Mainstream konnte er im Gegensatz zur Konkurrenz nie erreichen. Seine Charterfolge feierte er alle im R'n'B-Sektor der Billboard-Charts der 1960er und 1970er.
Dafür soll er in Mississippi aus welchen Gründen auch immer vor 30.000 Ku-Klux-Klan-Anhängern aufgetreten sein und diese so begeistert haben, dass er noch ein zweites Konzert spielen musste. Wer solche Geschichten erlebt, braucht keine einmaligen Platten. Herzlichen Glückwunsch nachträglich, Solomon Burke.
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