laut.de-Kritik
Erhabenheit trifft auf verkopftes Nerdtum.
Review von Stefan MertlikNach Teil eins und zwei in 2020 beenden Son Lux ihre "Tomorrows"-Trilogie. In der letzten Ausgabe reißen Ryan Lott, Rafiq Bhatia und Ian Chang noch einmal alles ein und bauen es wieder auf. Die dadurch entstandenen Soundwände klingen vertraut und warm, aber auch schräg und zersplittert. Das Schöne und Erhabene trifft auf verkopftes Nerdtum. Das Ergebnis: unwiderstehlicher Elektro-Pop mit Schlagseite.
"Unbind" eröffnet die Platte mit Violinen und E-Gitarren – als stünden King Crimson im Orchestergraben und hätten eine Drum-Pad-Machine dabei. Fortan wechseln sich die vertrackten Momente weiter mit den klaren ab. Das Schlagzeug in "A Different Kind Of Love" holpert unbeholfen los. Dazu presst Lott von Schmerz inspirierte Poesie heraus, die ein dramatisch klingendes Cello unterstreicht: "What violent words / From this silent tongue."
In "Come Recover" zerhacken Son Lux Schlagzeug-, Cello-, Bassklarinetten- und Bratsche-Spuren. Der in einem Stimmeffekt ertränkte Gesang scheint sich dem kalten, industriellen Klang entgegen zu stellen. Es klingt reichlich absurd: Der Computer macht, dass es menschelt. Doch darin liegt die Stärke von "Tomorrows III". Son Lux spielen mit Gegensätzen, umarmen das Sperrige und verprügeln das Schöne.
"Be careful with yourself, be honest with me", singt Kiah Victoria in "Vacancy". Auf dem elektrifizierten Trip-Hop-Ausflug fühlt sich die Sängerin wohl. Ihre sanfte Stimme schmiegt sich an das atmosphärische Instrumental. Zusammen mit Kadhja Bonet und Holland Andrews ist sie eine von drei Gästen auf der Platte - allesamt dienen ihr als Leuchttürme. Aus intellektuellem Muckertum machen sie bezaubernde Sonntagmorgenhymnen.
Wer die Augen schließt und die Gedanken kreisen lässt, könnte vergessen, dass "Tomorrows III" aus zehn Anspielpunkten besteht. Die Platte wirkt vielmehr wie ein langes Stück, auf dem sich immer wieder besondere Momente hervortun. Musik kann so herrlich klingen, wenn die Abrissbirne weich fällt. Ein Boxset mit allen drei Teilen von "Tomorrows" erscheint am 30. Juli.
1 Kommentar mit 10 Antworten
Kenne ja lediglich diese absolute Perle von denen und wollte schon immer mal tiefer eintauchen, jetzt soll es soweit sein.
Lost it to trying:
https://www.youtube.com/watch?v=TkLT5krv_6c
Jemand noch persönliche Hits / Anspieltipps für den Anfang?
Fashawn hat das gesamplet, oder? Wusste nicht, vorher mir das so bekannt vorkommt, gracias!
Klingt jedenfalls nach willkommener Luntenmusik für Leute, die keinen Bock auf Haiyti haben
Finde das immer noch den Übertrack: https://www.youtube.com/watch?v=yRyMoyRPrr8
"Flight"
https://www.youtube.com/watch?v=_k53gejb7Vg
"Betray"
https://www.youtube.com/watch?v=IEseJpAAbgQ
"The Fool You Need"
https://www.youtube.com/watch?v=luvZSTEGs2A
Klasse Band mit sehr eigenem Sound. Als Einstiegsalbum würde ich "Bones" empfehlen.
Juhu, Danke Leute! Immer schön einen Einstieg mit persönlichen Tipps zu haben!
@Chris: Welcher halbwegs mental gesunder Mensch hat schon Lust auf Haiyti?
Es sei denn man will sich die Sache mit dem Musik hören für immer und ewig abgewöhnen.
Ich glaub ja eher, dass Menschen mind. manisch-othodox sein müssen, um sich Musik hören abgewöhnen zu können. Hypomanisch reicht auch nicht, der Hang zur Selbsgeißelung sollte mindestens so ausgeprägt sein wie es im orthodoxen Katholizismus vor der Renaissance noch üblich war, weil selbst die subjektiv empfundene Existenz schlechter Musik in expotenziell höherer Quantität als die von guter Musik ja trotzdem in einem selbst nicht die Existenz guter Musik negiert.
Hab jetzt den Erstling laufen und bin ich echt angetan.
"Easy" find ich sehr nice, so als Tipp