laut.de-Kritik
Ein bizarres Hörspiel aus dem New York des frühen 21. Jahrhunderts
Review von Martin MengeleWas die Beatniks in den 60ern waren, sind heute die Kaputtniks? Ein echter William S. Burroughs verziert immerhin das neue Sonic Youth Album. Teilweise erinnern auch die Songgebäude an Rezitationen des späten Jack Kerouac. Man könnte deswegen auf den Gedanken kommen, Moore & Co. seien völlig der lyrischen Struktur und Erzählweise der 60er Jahre verfallen. Jedoch schwerer verdaulich, weil nach gewöhnungsbedürftiger Sonic-Manier instrumentiert.
"Aus Visionen und Meditationen" sei diese Scheibe entstanden. Um mit den Monster Magneten zu sprechen: Vielleicht ist es einfach nur ein "satanic drug thing you wouldn't understand." Von der Musik bleibt zunächst wirklich nichts hängen.
Die Lyrics geben aber einen erstaunlich klaren Blick ins schnelle New Yorker Leben frei. Ein Trip mit dem "streamXsonik subway" saugt dich tief in den Gotham-Underground, schüttelt dich gut durch, wie einen zu starken Wodka-Cranberry, bevor er dich in die "City Made Of Tin" zurückspuckt. Ein psychedelischer Ride zwischen komplizierten Geräuschkulissen und schrägem Gezerre.
Jedoch überall in diesen wogenden und kreischenden Gitarren verstecken Sonic Youth kleine Melodiefragmente. Wie Ostereier in einem Nest aus verstimmten Instrumenten. Das Brachiale unmittelbar neben dem Zerbrechlichen. Einfühlsame und zugleich zerstörerische Momentaufnahmen, wie die "kleinen Blumen, die durch den Beton wachsen". Ein bizarres Hörspiel aus dem New York des frühen 21. Jahrhunderts.
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