laut.de-Kritik

Deutschrap braucht Stimmen wie diese.

Review von

Wenn dieser Tage mal wieder Stimmen laut werden, die Deutschrap fehlende Haltung gegenüber weltpolitischen Themen vorwerfen, erscheinen diese zumindest nicht völlig aus der Luft gegriffen. Rapper gehen bereits bundesweit mit - so sollte man zumindest meinen - selbstverständlichen Meinungen viral. Die, die sich schon seit längerer Zeit klar positionieren, tun das für den Geschmack des allgemeinen Konsens meist zu radikal. Zugezogen Maskulin machen demnach "wutentbrannten linken Zeckenrap", Absztrakkt irritiert mit teils fragwürdigen Ansichten.

Nicht ungelegen kommt aus diesem Grund der junge Kölner Sparky aus dem Sektor West Büdchen Gang-Umfeld, der sich inmitten gleichgeschalteter Zahnrädchen, Fremdenfeindlichkeit und der eigenen Untätigkeit verloren fühlt. Nein, Sparky weiß zwar ganz sicher auch keinen Ausweg aus den abstrusen Sorgen dieser Zeit, leistet aber einen mindestens genauso wichtigen Beitrag, indem er das Unbequeme überhaupt erst einmal thematisiert.

Als unbequem empfindet Sparky zuvorderst, wie tatenlos große Teile seiner Generation bei alledem zusehen: "Wenn die Welt untergeht, bleib' ich weiterhin auf Distanz / Das ist ein Job für die Freiheitskämpfer, die mutigen Menschen und vielleicht auch Punks", bilanziert er auf "Weck Mich Nicht Auf". Der Song an sich steht stellvertretend für eine durchweg mutige Platte, die zu weiten Teilen auch Sparkys eigenen Kampf mit sich selbst abbildet.

Wie es bei textintensiver Musik allerdings meist so ist, bleibt dem Kölner dabei nur wenig Platz für ausgefallene stimmliche Variationen. Böse Zungen bezeichnen seinen Vortrag möglicherweise sogar als steif. Viel wichtiger ist allerdings seine markante Stimme, die, ähnlich wie schon sein Name, roh wie Hundegebell klingt und irgendwie auch einen eigentümlichen Weltschmerz in sich trägt.

Wirklich spannend wird es aber spätestens wieder auf musikalischer Seite. Yourz, der "Leuchtraketen" nahezu im Alleingang produzierte, reiht sich aus dem Stand ein in die Riege interessanter deutscher Newbie-Produzenten. Die Ästhetik der Platte erscheint von Grund auf rotzig und ungefiltert, zumeist trist und doch immer reich an Einflüssen.

Das Intro von "Allein" könnte unverändert auf einem Earl Sweatshirt-Album zu finden sein, "Robert Earl Davis" bedient sich gekonnt dem ansonsten im deutschsprachigen Raum eher unbeholfen verwendeten Chopped & Screwed-Sound. Als bereichernd erweisen sich auch die oft bassgewaltigen Songausläufe.

Darauf handelt Sparky, mal etwas bedeutungsschwanger, meist aber zielsicher und griffig, heikle Themen wie verquere Weltanschauungen und Nationalstolz ("Das Problem") oder das sich Fügen in die eigentlich verhasste Maschinerie ("Zombies") ab. Wer es fertig bringt, dazwischen Referenzen an King Krule oder Drake sinnvoll zu verschachteln, hat ohnehin schon gewonnen.

Dazu kommen noch fabulöse Gäste wie der sträflich unterschätzte Cosmo Gang-Soldier Bimbo Beutlin oder Simon Grohé, der für "Reise" eine erstaunlich unpeinliche Pop-Hook eingesungen hat. Mittlere Ausfälle wie "Stadtkids" bleiben die Ausnahme.

Auch wenn Sparky die "Leuchtraketen" wohl eher als Symbol fürs Verlorensein vorsah, dürften sie hoffentlich bald eine zweite Bestimmung erhalten: die nämlich, auf seinen ehrlichen, selbstreflektierten und klugen Rap aufmerksam zu machen. Zu wünschen wäre es allen voran auch dem Deutschrap. Der braucht mehr denn je Stimmen, die auch wirklich etwas zu sagen haben.

Trackliste

  1. 1. Kevin
  2. 2. Zombies
  3. 3. Stadtkids
  4. 4. Interlude Vom Mond
  5. 5. Allein
  6. 6. Reise feat. Simon Grohé
  7. 7. Sie Kann Nicht Einschlafen
  8. 8. Robert Earl Davis
  9. 9. Weck Mich Nicht Auf
  10. 10. Antiheld feat. Ammo
  11. 11. Das Problem
  12. 12. Helium
  13. 13. Sie Brennt
  14. 14. Nachtisch feat. Bimbo Beutlin

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7 Kommentare mit 24 Antworten

  • Vor 8 Jahren

    'n Scheiß braucht Deutschrap Stimmen wie diese.

  • Vor 8 Jahren

    Alle, die meiner Empfehlung vom Buedchentape von Veedel Kaztro damals nachkamen, also mindestens mal der lautuser, sollten hier auch mal reinhoeren. Man kann sicher nicht mit allen Ansichten von Sparky etwas anfangen, gerade dann, wenn die eigene Lebensrealitaet altersbedingt von seiner abweicht, aber ich finde ihn sehr eigen. Mag man Befindlichkeitsrap nennen, aber die Nabelschau ist nicht ganz so enorm wie bei Casper oder diesen Chimperator-Leuten.

    Vor allem Craze sollte lieber Sparky statt Yeezy hoeren.

    Einer der Featuregaeste disst LGoony. ;)

    • Vor 8 Jahren

      ich checke, genau wie Du Deine Mails. :)

    • Vor 8 Jahren

      Nee, sorry ich höre lieber weiter Isaiah und Travis, ab und zu durchzogen von ein wenig Thugger. ;)
      Für den lautuser musst du ab jetzt mit Chimperator Tipps ankommen, denn laut hiphop.de Rap-o-Mat ist er Mitglied von derem Camp. :ill:

    • Vor 8 Jahren

      Werd's mal auschecken, hätte ihm ohne deinen Tipp wohl niemals ein Ohr geschenkt, alleine wegen dem Hundenamen.
      Das Büdchentape lief auf dein Anraten hin damals 1-2 Wochen recht oft, seitdem allerdings kaum noch. "Mir geht es gut" und "Kölsch, Kippe, Lederjacke" sind gerade auch die einzigen Tracks, die mir noch so einfallen, die bei mir nachhaltig hängengeblieben sind.
      Die Attitüde ging mir auch gut rein, aber so ganz konnte ich damals mit dieser pott'schen Trinkhallenkultur nüscht anfangen. Wohne jetzt seit geraumer Zeit im Rhein-Main-Gebiet (nicht unbedingt vergleichbar, ich weiß), und die Mentalität ist hier einfach eine ganz andere, vllt. passt das besser. Werd's mir mal wieder auf den MP3-Player ziehen, so lange das Wetter noch so formidabel zum im Park asseln geeignet ist.

    • Vor 8 Jahren

      Der Crazemaster hat das ja hier als Erster gediggt, siehe oben!

    • Vor 8 Jahren

      Büdchentape wird immernoch hin und wieder angespielt.

      Wahl-o-Mat: Klage ist raus.

    • Vor 8 Jahren

      Der Rap-Wahl-O-Mat ist eh großer Mist, eben mal getestet...Platz 1: BESTE (BRKN, Dazzle, Merlin, Cratzmeister Calle)

      Kenn ich nicht, sollen sich ficken (oder ist das zufällig Eigenpromo, weil die Seite auch irgendwas mit "Beste heißt?)

      Platz 2: Beginner, das passt schon eher :lol:

      Und die Antwortmöglichkeiten sind auf Noisey-Spastenlevel.

    • Vor 8 Jahren

      Ah geil, "Geh Klauen" ganz vergessen, auf den Immortal Technique-Beat. Hab' wohl zu viel gesoffen damals.

    • Vor 8 Jahren

      Habe es mir angehört, das war ziemlich anstrengend. Zuviel Befindlichkeit und trotz meiner immerwährenden Jugend bin ich da ggf. etwas zu alt für.

    • Vor 8 Jahren

      Find's ganz geil, den einen Track da mit der Gesangshook mal ausgenommen. Ohnehin scheinen die Hooks nicht so ganz sein Ding zu sein. Und zum sommerlich im Park Asseln ist es dann auch nicht so ganz geeignet, dachte das wäre so wie bei Veedel.
      Kann mich aber gut mit dem identifizieren, passt von der Sozialisation und auch vom Alter her.

      3,5/5

  • Vor 7 Jahren

    noch so einer ...........................................