laut.de-Kritik
Voll in die Magengrube und voll auf die Gefühle.
Review von Philipp SchiedelBerlin im August 2002. In der linken Seite der kleinen Bühne des Magnet Clubs schwingt Tobias Asche routiniert seinen Bass auf Kniekehlenhöhe. Zur Rechten steht etwas schüchtern Zoe. Als Tobi auf "Play" drückt, die ersten elektronischen Sounds aus den Boxen krachen und er in seinen Bass haut, gibt es auch rechts kein Halten mehr. Zoe tippelt auf und ab, springt durch die Gegend und rockt, als gäbe es kein Morgen. Dazu hämmert der immer gleiche Basslauf aus den Boxen, und etwa fünfzig Zuschauer wissen in den ersten Momenten nicht so recht, was man davon halten soll.
Bald nicken die Köpfe aber hektisch im Takt, die Ersten fangen an sich zu bewegen, und wieder andere beginnen zu kreischen. Nach wenigstens zehn Minuten wird klar: es sollte mein persönliches Konzert des Jahres werden. Da war ernst gemeinte Power und noch mehr Leidenschaft im Spiel. 1a-Punkrock. 1a-Elektro. Voll in die Magengrube und voll auf die Gefühle. Als mir später gesagt wurde, dass dies erst das zweite Konzert der Hamburger gewesen sei, flippte ich endgültig aus ...
Inzwischen ist ein Jahr ins Land gegangen, und Spillsbury beschallen immer noch konstant mein Leben. Das bringt ebenso Unverständnis wie Begeisterung mit sich. Bis jetzt kenne ich nur zwei Reaktionen auf die Band: Entweder die genervte Ablehnung, die vor allem in der LAUT-Redaktion zuhause war - Kollege Mengele schrie während einer Kostprobe sogar lautstark "Halt's Maul", während er wütend auf die Stop-Taste hämmerte. Auf der anderen Seite steht die Ekstase von Menschen, die ihre Anlage aufdrehen, aus voller Kehle die schlauen Texte mitschreien und zu den irrsinnigen Synthies zappelnd durch ihr Zimmer springen. Der Altersunterschied macht da sicher einiges aus. Spillsbury machen Musik für junge Leute - Nena für Punkrocker – und können zweifellos genau so mitreißen wie nerven.
Jetzt polarisieren sie endlich auf einem kompletten Album. "Raus" basiert im Groben und Ganzen zwar leider etwas zu sehr auf der bereits erschienenen EP (gerade mal sieben neue Stücke haben es auf die Platte geschafft), rotzt aber nichtsdestrotrotz schlagfertig und fresh dreizehn astreine NDW-Punkrockhits aus der Hüfte. Und am Schluss versteckt sich sogar eine tocotroneske Akustik-Version von "Raus".
Da hört man dann, warum die Spillsbury-Songs lieber knallen sollten. Das Wort 'leise' steht im Band-Kosmos sehr am Rande. Es geht darum, die Zündung zu drehen, das Fenster runterzukurbeln und vor allem um das Losfahren. Um die Bewegung, die nicht ausbleiben darf (und sei es nur ein wippender Fußballen). Und um das Prinzip Kopfschütteln ohne Ende.
Ok, es ist immer der gleiche Bass, und Spillsbury sind nicht gerade Meister der Variation. Aber das ist völlig egal, so lange ich zu solchen Burnern wie "Schlagziele" die geballte Faust recken kann. Ein paar Stunden vor dem Computer, ein trockener Bass und eine hübsche Sängerin. Mehr brauche ich nicht, um endlich wieder jede Zeile eines Albums auswendig zu können.
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