laut.de-Kritik
Stadionrock meets schleichende Bonoisierung.
Review von Benjamin Fuchs"I don't see myself in the mirror / I see who I should be." Vielleicht charakterisieren diese ersten beiden Zeilen des neuen Starsailor-Albums "On The Outside" die Situation, in der sich die Herren Walsh, Stelfox, Byrne und Westhead befinden, immer noch am besten. Alle erwarten von der Band, dass sie ein zweites "Love Is Here" erschafft. Manche scheinen ihnen schon den Versuch, etwas Neues zu machen, als Verrat an sich selbst vorzuwerfen. "Gutes bleibt", wie es der Schlagersender WDR 4 in seinem Claim auf den Punkt bringt.
Aber seien wir doch ehrlich: "Love Is Here" gibt es bereits. Wer es hören möchte, kann es jederzeit in den Player legen und alle anderen Outputs der Band ignorieren. Kann man von einer Band, die eben nicht mehr Anfang, sondern Mitte 20 ist, immer noch verlangen, in jugendlicher Zerrissenheit zu waten? Man sollte es Starsailor hoch anrechnen, dass sie eben nicht auf Nummer sicher gehen und dem Rezept treu bleiben, das sie dereinst groß gemacht hat. Auf der anderen Seite gilt es auch als unumstößliche Tatsache, dass sie nie wieder Songs mit einer größeren Tiefe geschrieben haben, als auf dem Debüt. Wie furchtbar war es, diesem unsäglichen "Four To The Floor"-Mist zuzuhören. Und dennoch hatte auch "Silence Is Easy" große Momente.
Auf "On The Outside" sind die großen Momente noch seltener. Dieses Mal scheinen sie aber nicht an einem klebrigen Überarrangement aus Keyboard und Geigen zu ersticken. Anno 2005 ist das Songwriting einfach zu unspektakulär. Die Sternensegler setzen auf dichte Gitarrenwände. Wie bei einer Schülerband, die einen schlechten Song hat und versucht, ihn durch den Tritt auf den Verzerrer mit ein wenig Dynamik auszustatten; der ein oder andere wird diese Situation kennen. Auch auf "On The Outside" ist nicht alles schlecht. Der Opener "In The Crossfire" beginnt zwar interessant, verschwindet dann aber in der Beliebigkeit eines Stadionrockers.
Während "Faith Love Hope" und "Way Back Home" von vorne bis hinten indiskutabel sind, offenbart "In My Blood" noch ganz gute Ansätze mit Gospelelementen. Textlich entfernt sich Walsh von seiner bisherigen selbstreflexiven Perspektive und geht sogar politische Themen an. In "Keep Us Together" thematisiert er die Wahl Arnold Schwarzeneggers zum Gouverneur. Das recht trocken vorgetragene "Get Out While You Can" behandelt den Nordirlandkonflikt und gehört zu den besseren Songs. Er ist die Reaktion darauf, dass eine Familienangehörige des Sängers in Belfast, seiner neuen Wahlheimat, angeschossen wurde. Eine schleichende Bonoisierung scheint Walshs Texte ergriffen zu haben.
Den unbestrittenen Höhepunkt spielen Starsailor mit dem letzten Track "Jeremiah" aus, der vom tragischen Tod eines britischen Studenten 2003 in Wiesbaden handelt. Während die Polizei Selbstmord feststellte, gibt es zahlreiche Zweifel an dieser offiziellen Version. Es wird angenommen, dass der Jugendliche jüdischen Glaubens in panischer Angst vor ein fahrendes Auto gerannt ist. Der Song ist ein eindringlicher Appell zur Aufklärung, der berührt.
"Jeremiah" kommt vom Stil her den Liedern von "Love Is Here" noch am nächsten. Da sind wieder diese magischen Momente, in denen uns Starsailor gefangen nehmen und faszinieren. Hier schließt sich der Kreis. Allerdings ist der Punkt nicht der, dass man die Veränderung zu etwas Neuem nicht will, sondern, dass die Band dieses Fach einfach am Besten beherrscht. Sie haben nach "Love Is Here" zwar das alte Terrain verlassen, aber einfach kein Rezept mehr gefunden, eine ähnliche Intensität und songschreiberische Klasse auf einem anderen Level zu erreichen. So sind sie derzeit auf dem Stand einer Radio-Dudel-Band mit Stadionrockfaktor, über weite Strecken verhaftet in der Belanglosigkeit.
Hoffentlich finden sie bald einen Weg heraus. Denn, ehrlich gesagt, hatten früher auch die B-Seiten einfach mehr Klasse als die aktuelle Single. Also der Appell an die Herren Walsh und Kollegen: Verändert euch, wenn ihr möchtet und nehmt euch Zeit. Schafft wieder Großes, wir warten solange und hören bis dahin vermutlich "Love Is Here" öfter, als die anderen beiden Platten zusammen.
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