laut.de-Kritik
Mit scharfer Zunge und erdigem Blues.
Review von Kai ButterweckWem der Umgang mit den Weltproblemen seitens deutschsprachiger Künstler zu schwammig und dünn ist, der landet früher oder später beim Hamburger Liedermacher Stefan Stoppok. Der kauzige Sänger mit der Schnodderstimme trägt sein Herz auf der Zunge und verteilt nun schon seit mehr als dreißig Jahren musikgewordene Ohrfeigen am Fließband.
Auch anno 2016 hat Stoppok wieder so einiges zu sagen - die Welt vor der Haustür ist schließlich im Arsch. Und so filetiert der Hanseate widerwillig stinkenden Fisch ("Friss Den Fisch"), stellt die Geschehnisse im Schlafgemach des Papstes ins Internet ("Man Weiß Es Nicht") und setzt im Anschluss einen großen Haufen auf die heimatliche Landkarte ("Planlos Durchs All").
Die Blicke wandern von rechts nach links. Stoppok buddelt nicht nur im eigenen Garten. Auch in der Ferne liegt Vieles im Argen. Er erzählt von "Machmut aus Aleppo", der in der Tagesschau "von dem Bombenhagel und dem Tod seiner Omma" berichtet. Dann schwirrt er "Planlos Durchs All" und fragt sich: "Wer ist Esel? Wer ist Reiter? Wer tritt die Scheisse immer breiter?"
Stoppok liefert ab, und zwar ungefiltert und prägnant. Seine Reime kommen simpel gestrickt daher. Transparent und ohne Umschweife bringt es der Sänger auf den Punkt. Das Leben ist nämlich gar nicht so kompliziert: "Mal Nase voll, mal Konto leer / Mal tote Hose, mal zu viel Verkehr / Mal fettige Pommes, mal trockenes Brot / Mal Luxusjacht, mal Ruderboot." So sieht's aus.
Angetrieben von erdigen Sounds aus dem Bluesrock-Archiv brennen sich Stoppoks Texte sofort ins Hirn ein. Man kann gar nicht anders. Man muss einfach lauschen. Als feiner Beobachter und humorvoller Gesellschaftsrebell kratzt Stoppok wie wild an der ach so glatten Oberfläche. In der Tiefe quillt sie dann hervor: die eigentliche Realität. Und die wird mit scharfer Zunge sarkastisch angeprangert und mit Bingo Bongos und Hammond-Spielereien, die an alte Bap-Zeiten erinnern ("2 Wunderschöne Augen") in Musik gegossen.
Lo-Fi-Riffs ("Es Liegt Auf Der Hand") und mystische Singer/Songwriter-Grüße passen ebenfalls perfekt ins Bild ("Märchen"). Genauso wie slappende Bass-Läufe ("Man Weiß Es Nicht") und schunkelnde Bierzelt-Vibes ("Das Leben Verläuft"). Stoppok schmunzelt und zeigt dabei den geschwollenen Mittelfinger. Sollen sie sich ruhig alle schön weiter in die eigene Tasche lügen. Er hingegen hat so langsam aber sicher fertig: "Es muss einen Weg hier raus geben, für mich ist jetzt Schicht / Ich lösch das Feuer und mach den Laden dicht."
5 Kommentare mit 6 Antworten
Stoppok = Ruhrpott. Geburtsort hin oder her.
Jepp, Stoppok ist ein Essener Original.
Ich mag den sehr. Ist zwar irgendwie schon "Liedermacher", aber halt auch Musiker dabei. Selten genug.
Das Album habe ich noch nicht gehört, aber die Erwartungen sind sehr niedrig. Stoppok hat ja so einige großartige Songs geschrieben "Beton" "Tanz" "Wetterprophet" "Wie tief kann man sehen". Er hat textlich auf jeden Fall ein Herz für Verlierer und Sinn für Alltagsgeschichten. Aber das ist alles lange her. Die letzten Alben waren nicht mein Fall. Dieses hier kriegt natürlich eine Chance.
Konzerte von ihm kann ich indes uneingeschränkt empfehlen. Der Mann ist wahnsinnig unterhaltsam und kann wirklich gut Gitarre spielen. Und oft hat man das Glück und Vollblutsmusiker wie Reggie Worthy sitzen neben ihm auf der Bühne.
wenn man sich als genrefremder mal näher mit seinen werken beschäftigen möchte, welche alben wären denn da auf jdf. pflicht ?
Ich könnte jetzt kein Album benennen und sagen: Das muss man gehört haben. Immer gibt es Highlights und Filler. Wobei Erstere weniger werden. Der Fan-Liebling ist wohl "Happy end im Lala-Land".
Ich würde eher das Best-of versuchen. Bei Stoppok muss man die Rosinen picken und da ist auf jeden Fall einiges drauf.
bedankt, werd ich mal bei.
Jo, bei der "Happy End im La-La-Land" macht man wenig verkehrt. Die beiden Alben mit Worthy ("Grundvergnügen", "Grundblues 2.1") taugen auch ganz gut als Einstieg.
Gruß
Skywise
Einstiegsalben: Stoppok (1990), A'schklar (1991), Happy-End im La-La-Land (1993)
Japp, die drei hätte ich auch genannt. Und ehrlich gesagt reichen die dann auch schon.
Yep, die habe ich auch
@ Olsen
Nö, das würde ja bedeuten, dass Stoppok seit mehr als 23 Jahren nix auf die Reihe gekriegt hat.
Das Gegenteil ist der Fall.
Operation 17: Ich hab etwas gebraucht, um mich mit diesem Album von Stoppok anzufreunden. Das ist nix für so nebenbei. Ich musste schon genau hinhören. Aber dann: man ist der Typ mal wieder gut. Was für geile Musik - und die Texte. Stoppok traut sich mal wieder was. Kein Wunder, dass man ihn nicht im Radio hört. Stoppok ist wie ein guter Rotwein. Er wird älter und immer besser.
Und wie es Reverend Rebers mal gesagt hat: Ein guter Rotwein, mäßig genossen, kann auch in großen Mengen nicht schädlich sein. Will sagen: Stoppok mit Operation 17 sollte man von morgens bis abends genießen. Er wird mit jedem Akkord immer besser.