laut.de-Kritik
Song für Song nimmt dieses Album immer mehr Fahrt auf.
Review von Anastasia HartleibMit ihren beiden vorangegangenen EPs machte sich Sudan Archives bereits einen Namen, der für ein Soundgemisch aus nordafrikanischen Geigenklängen, elektronischen Sphären und samtig-weichem Gesang steht. Mit ihrem Debütalbum "Athena" öffnet sich die in Kalifornien lebende Künstlerin einem größeren Publikum und klingt deutlich poppiger als zuvor. Das dürfte nicht jedem gefallen.
Zugegeben, an einigen Stellen wirkt "Athena" etwas zu glatt poliert und arg theatralisch. Besonders zu Beginn, in "Did You Know" und "Confessions" beispielsweise, übermalen seichte R'n'B-Melodien ihre abrupte und eigensinnige Rhythmik. Mit jedem Song aber nimmt das Album an Fahrt auf und entfaltet seine spannende Atmosphäre.
So erinnert "Down On Me" stark an die Ästhetik der "Sink"-EP, trotz großformatig angelegter Streicher in der Hook. "Green Eyes" nimmt sogar den Sound der ersten, selbstbetitelten EP wieder auf und liefert mit seiner kreisenden, energetischen Dynamik einen ersten kleinen Hit, bevor mit "Island Moss" eine Ballade im Sudan-Style erfolgt.
Trotz des auf das große Publikum schielenden Einstiegs gibt es auf "Athena" keinen Song, der nicht gefällt. Jedes Stück besitzt seinen ganz eigenen Charme, mal abstrakt-verträumt, mal düster-verspult, mal durch einen Strudel von Synth-Ebenen fliegend, wie in "Stuck". Mit "Coming Up", der Vorab-Single "Glorious" und "Honey" liefert Sudan Archives allerdings drei Songs, die selbst aus dieser besonderen Masse herausstechen.
"Coming Up" leiert sich mit kalter Trauer bis zur Hook, die dann wie eine Welle förmlich über einem zusammenbricht. Der Song handelt vom Zerbrechen einer Beziehung - eine Thematik, die sich vermehrt auf "Athena" wiederfindet. "So codependent, so distracted, so conflicted / Don't pretend that you can change my mind now / you know the limit" - ihre Worte treffen mit abgeklärter Präzison und beschreiben ein Gefühl, das wohl jeder kennen dürfte. "Went from you and I to what are we and who am I / if I gotta choose a side you stay on yours an I'll stay on mine."
"Glorious" hingegen zieht von Beginn an in den Bann. Die hier an irische Folklore erinnernden Geigen bilden die Wegmarken des Songs, der sich aufbäumt und wieder einfängt und mit D-Eight das einzige Feature beinhaltet. Der Rapper aus Ohio ergänzt die Atmosphäre des Songs mit seiner breitspurigen Stimme, wodurch "Glorious" endgültig zum Lowrider mutiert.
Ein gänzlich anderes Format bedient "Honey". Mit Erykah-eskem Vibe sowie Jazz-Bass und -Attitüde klingt der vorletzte Song deutlich verkopfter. Über seine Spielzeit baut er eine ergreifende Intensität auf, die sich in unendlich weiten, nebeligen Synthie-Flächen auflöst. Ein starkes Stück, das eine ziemlich simple Botschaft vermittelt: "Ich wollt's dir ja nicht sagen Honey, aber er dein Boy ist ein ***."
Dass Titel und Cover auf die griechische Göttin der Weisheit, Kunst und des Kampfes verweisen macht nach genauerem Hinhören auch Sinn: Sudan Archives verarbeitet auf ihrem Debüt auf kunstfertige Weise Emotionen und Situationen, die in gewisser Weise einen Konflikt mit sich oder anderen voraussetzen. Trotz der stark persönlichen Texte wird die Sängerin an keiner Stelle boshaft, sondern liefert mit ihren Versen distanziert neugierige Beobachtungen, die durchaus als lyrisch durchgehen.
Durch die Vielseitigkeit der einzelnen Songs vermittelt "Athena" nicht die Einheitlichkeit eines in sich geschlossenen Werkes. Das macht aber auch nichts. Das Album gleicht vielmehr einem Fluss, der hier zufälligerweise an die Erdoberfläche tritt. Sein Wasser schimmert hier und da in der Umgebung und der Flusslauf spielt mal energischer, mal sanfter mit seiner Umgebung, bevor er wieder irgendwo unter der Erde verschwindet. Wer weiß schon, wo er das nächste Mal wieder auftaucht?
2 Kommentare
Nachdem ich das neue FKA Twigs Album worum zu anstrengend fand, obwohl ich den Vorgänger LP1 echt gefeiert habe, fand ich das Sudan Archives Album echt erfrischend im Vergleich in der Neo R&B Sparte. Doch, gefällt mir durchaus sehr gut.
*Wiederum (bei warum verschrieben)