laut.de-Kritik

Über Drogen, Psychosen und den Wunsch zu sterben.

Review von

Mit ihrem ersten kommerziellem Album wagen Suicideboys nach 42 Tapes und Alben, die frei zur Verfügung stehen, einen großen Schritt in Richtung Massentauglichkeit. Der Plan war ursprünglich, den Longplayer "I Don't Want To Die In New Orleans" zu schreiben, von Erfolg und Ruhm zu erzählen, sich die Welt ein wenig schöner zu rappen, als sie ist, und das Ganze Ende 2017 zu veröffentlichen. Der Plan geht nicht auf und so steigen die Cousins Arestos und Scott, besser bekannt als Ruby da Cherry und Scrim, eben ohne ein Album in den Tourbus und bereisen die Welt.

Nach und nach realisiert das Duo, dass das schöner rappen nichts taugt, wenn doch alles beschissen läuft, und so taufen sie das Album um und verpassen ihm den Titel "I Want To Die In New Orleans". Wie gewohnt thematisieren Ruby und Scrim ihren Hass auf die Welt, exzessiven Drogenmissbrauch, psychische Probleme und die daraus resultierende Flucht vor der Realität. Suicideboys sind unter anderem dafür bekannt, dass sie ihre Songs im Rahmen von zwei Minuten belassen, doch auf "I Want To Die In New Orleans" ändert sich das - es gibt nicht wenige Songs, die sogar die drei Minuten Grenze überschreiten.

Max Beck, Label-Partner, Freund und Regisseur vieler Videos, leitet mit lobenden Worten in die Platte ein. "How did these two motherfuckers, from New Orleans / How did they change, how did they change music?". Das Intro, "King Tulip," ist die Fortsetzung von "Prince Tulip", einem Song aus 2014. Die Beats ähneln sich und schaffen eine entspannte Atmosphäre. Ein Nachrichten-Ausschnitt über eine Schießerei zwischen Polizisten und zwei Leuten aus New Orleans beendet den Track, der Bass leitet in den nächsten Titel "Bring Out Your Dead" über. Cherry beeindruckt hier mit Tempo und aggressiven Parts, Scrim setzt auf sein Psycho-Image und schreit sich seine Seele aus dem Leib.

Insgesamt zeigt Scott sich auf dem Album von einer besseren Seite als sein Cousin. Die Vielseitigkeit, Reimtechnik und Wortgewandtheit, die Ruby für gewöhnlich präsentiert, geht in einigen Tracks unter. Stattdessen rappt er heller und simpler und geht damit einen Schritt in Richtung Mainstream. In Songs wie "Nicotine Patches", ""Long Gone (Save Me From This Hell)" und "122 Days" klingt er sogar ein bisschen wie Lil Peep. Softe Beats und Sing-Sang Parts wurden von Cherry in der Vergangenheit schon besser verarztet, ihnen mangelt es auf "I Want To Die In New Orleans" teilweise einfach an Orginalität. Scrim hingegen zieht seine düstere Psycho-Attitüde über das gesamte Album durch.

Die Wortgewandtheit findet Ruby in "Krewe du Vieux" wieder. Ein fetter Bass und ein minimalistischer Beat begleiten seinen facettenreichen Part. Der Titel gehört eigentlich zu einer Parade aus der Heimatstadt, die für ihre kontroversen, satirischen und nicht ganz jugendfreien Performer bekannt ist. Auch Scott tobt sich hier aus und spielt mit seiner dunklen, kratzigen Stimme, während er von seinen Drogenproblemen erzählt. Das folgende "War Time All The Time" ist mit Abstand der beste Song des Albums. Wilde Schreie, tolle Reim-Technik und die bekannte Suicideboys-Härte machen den Track zum absoluten Banger. Ruby lässt seine Punk-Attitüde durchschimmern und grölt die Lyrics teilweise komplett unkontrolliert auf Scrims Master-Produktion.

Suicideboys tragen eine Wut in sich und diese bekommen wir auf vor allem auf "FUCK the Industry" zu hören "I'm the black sheep of this music industry / shit used to be a flock of us but now the flocks depleting / 7th Ward Charizard, I melt the ice you claim is freezing". Obwohl sie mit dem neuen Album einen Schritt in Richtung Massentauglichkeit wagen, verachten sie die Industrie immer noch zu tiefst und scheuen sich nicht, ihren Hass zu äußern. Bevor Ruby und Scrim uns gegen Ende erneut von ihren Gefühlen erzählen, verbreitet "Carrollton" noch einmal eine geballte Ladung Arroganz und Aggressivität. Carrollton, ein Viertel in New Orleans, ist für seine hoche Kriminalitätsrate sowie für seine vielen Musik-Events bekannt - passt also perfekt ins Schema. Nach Juicy Js Vorwort "Play me some of that Suicide pimpin', man" legt Scrim unter seiner Lil Cut Throat Persona los und feuert Breitseiten gegen alles und jeden ab. Der Flow seiner tiefen Stimme und der harte Bass zwingt einen regelrecht zum Kopfnicken.

"Meet Mr. NICEGUY" kursiert als Teaser bereits vor Monaten im Internet, zu der Zeit hieß der Song mit dem Bones-Feature noch "BloodRiversMoon". Auf der Album-Version ist dieses Feature nicht drauf, dafür aber eine Story aus Rubys Leben. Er verarbeitet die Trennung von seiner langjährigen Freundin, die ihn wegen seiner Drogenabhängigkeit verließ. Obwohl es ihm eigentlich egal ist, vergisst er sie nicht und besingt dieses Problem erneut auf eine sehr poppige Art und Weise. "I No Longer Fear The Razor Guarding My Heel (IV)" beendet das Album als vierter Teil der Song-Serie mit mehreren Breaks und verschiedenen Beats.

Hinter der Produzenten-Persona Budd Dywer versteckt sich immer Scrim. Gemeinsam mit Co-Produzent und Meister Juicy J entwirft er das Soundbild. Man hört der deutlich klareren Produktion an, dass das Album auf eine breitere Masse zielt als die Tapes. Trotzdem zieht sich der Suicideboys-Charakter durch alle 14 Songs, auch sind immer wieder in der Vergangenheit häufig benutzte Samples oder Bässe zu hören. Alles in allem bleiben Arestos und Scott sich trotz der Anpassung an den kommerziellen Markt treu und liefern ein solides Album.

Trackliste

  1. 1. King Tulip
  2. 2. Bring Out Your Dead
  3. 3. Nicotine Patches
  4. 4. 10,000 Degrees
  5. 5. 122 Days
  6. 6. Phantom Menace
  7. 7. Krewe du Vieux (Comedy & Tragedy)
  8. 8. War Time All The Time
  9. 9. Coma
  10. 10. Long Gone (Save Me From This Hell)
  11. 11. Meet Mr. NICEGUY
  12. 12. Carrollton
  13. 13. FUCK The Industry
  14. 14. I No Longer Fear the Razor Guarding My Heel IV

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