laut.de-Kritik

Gute Mischung aus eingängig und wütend.

Review von

Die Zeiten, in denen Sum 41 als Pop-Punker im Blink 182-Style über den Campus hüpfen, sind lange vorbei. Ihr Debüt "All Killer No Filler" hievte die Band auf den "American Pie"-Soundtrack und in die Herzen zahlreicher kiffender Skater mit Emo-Matte. Es folgten: fünf Alben, eine schmerzhafte Trennung und ein künstliches Koma. Statt über Mädels, Skateboards und Bier singt Sänger Deryck Whibley jetzt über Liebeskummer, Widerstand und Politik.

Schon vor Veröffentlichung der siebten Platte "Order In Decline" präsentierte die Band die EP "45 (A Matter Of Time)". In vier Tracks, die allesamt auch auf dem Album zu finden sind, macht das Quintett nun seine politische Ausrichtung deutlich. Die aktuelle Regierung kitzelt auch den letzten Tropfen Wut aus den Kanadiern, die sich in ihrer Kritik wohl eher auf Amerika als auf den Nachbarstaat beziehen:

"Not worthy of a name, a number you'll get / A symbol of meaningless, void of respect / A matter of time, you get what you've earned / We'll take pleasure in watching you burn."

Trotz all der logischen Konnotationen war eine derartige Scheibe nicht geplant: "Eine gesellschafts- oder politikkritische Platte ist das letzte, das ich machen wollte, und das ist 'Order In Decline' auch nicht" sagt der Frontmann, fügt jedoch hinzu: "Es ist dennoch ziemlich schwer, zu allem, das in der Welt gerade abgeht, keine Gefühle zu haben." Ein unfreiwilliges Protestwerk, also?

Musikalisch entfernen Sum 41 sich jedenfalls immer mehr vom Pop-Punk und verteilen stattdessen Rise Against Vibes auf der Platte. Mit Billy Talent-Gitarrenriff, tightem Drumming, einem Pre-Chorus, der an alte Zeiten erinnert, und energiegeladener Hook toben sich Sum 41 in "45 (A Matter Of Time)" aus. Sie erfinden das Rad dabei nicht neu, aber fahren es verdammt cool.

"Order In Decline" klingt sowohl wild als auch erwachsen. Als Beweis dienen Opener "Turning Away" und "The People Vs..." Grund dafür ist Schlagzeuger Frank Zummo, bei dessen Fills in "Eat You Alive" man sich fassungslos an Kopf packt: schnell, ideenreich aber immer dem Song dienend. Die zahlreichen rasanten Gitarrensoli gehen im Vergleich unter wie ein löchriges Boot und wirken, so häufig, wie sie auftauchen, wie ein nerviger Sidegag.

Die textlichen Themen der genannten Songs spiegeln den Reifeprozess der Gruppe wider: Trennung, Widerstand, Depressionen. "If this will persist, then we will resist", shoutet der Sänger in "The New Sensation". Die Kapelle hat die Nase voll, will sich wehren, rebellieren. Mit donnernden Doublebass-Schlägen und emotionalem Schreien untermalt auch die Musik die Gefühlslage.

Sum 41 entwickeln eine gute Mischung aus eingängig und wütend. Die leicht verdaulichen Melodien des authentischen Gesangs erhalten trotz all der Härte einen gewissen Pop-Charakter. Die geschickt platzierten Liebeslieder der Platte reihen sich so nahtlos an die undefinierte Wut an. Grund dafür sind die emotionalen Gemeinsamkeiten beider Themen. So lässt sich die Hook in "Out For Blood" durchaus als Liebessong interpretieren:

"All that we have is just slipping away / And I don't believe that it's gonna be okay / You can't stop the bleeding, it's almost too late / You're leaving us all behind with hell to pay." Dementsprechend passend wirken auch die tatsächlichen Liebeshymnen des Albums. Allen voran: "Never There": ein bisschen kitschig, ein bisschen zu viel gewolltes Reimen ("The chance appears / I'd have no fears / We both share pain / we feel the same"), doch ziemlich schön.

"Order In Decline" ist kein Meisterwerk, aber absolut unterhaltsam. Unfreiwillig Kritik an bestehenden politische Systemen in einen amüsanten Rahmen zu schustern, gelingt auch nicht jedem.

Trackliste

  1. 1. Turning Away
  2. 2. Out For Blood
  3. 3. The New Sensation
  4. 4. A Death In The Family
  5. 5. Heads Will Roll
  6. 6. 45 (A Matter Of Time)
  7. 7. Never There
  8. 8. Eat You Alive
  9. 9. The People Vs...
  10. 10. Catching Fire
  11. 11. Heads Will Roll (Acoustic)
  12. 12. Catching Fire (Acoustic)

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8 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 5 Jahren

    Kann ich nur zustimmen! Das Album hat das Rad nicht neu erfunden, aber durchaus Unterhaltungswert.

    Ich persönlich finde das Sum 41 sich in eine sehr gute, erwachsenere Richtung entwickelt hat. Zudem sind sie auch noch nicht so lange ein Quintett und dafür ist das Album stimmig.

  • Vor 5 Jahren

    Wirklich geil! Nach Underclass Hero und SBM empfand ich die ziemlich auf dem absteigenden Ast, haben aber mit 13 Voices den Turnaround geschafft. Das hier setzt diesen positiven Trend fort. Macht Spaß, sind zwar nicht all Killer, aber trotzdem no Filler.

  • Vor 5 Jahren

    ich habe tatsächlich, zu meiner schande, während meines alltäglichen morgen-dehnungs/beweglichkeitsprogramm out for blood auf repeat gehabt. eines der stärksten lieder des jahres :o :uiui:

  • Vor 5 Jahren

    Schade, dass Sum 41 von der breiten Masse immer noch nur auf Fat Lip und Still Waiting reduziert werden. Während die anderen Pop-Punk-Weggefährten in Richtung Radio-pop (Good charlotte) oder eigene Karikaturen (Blink 182) abgedriftet sind (oder im Fall Simple Plan schon immer scheiße waren), haben Sum 41 die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen und sind musikalisch härter und komplexer (man bedenke etwa die großartige Drei-Song-Episode "A Dark Road Out Of Hell" auf Screaming Bloody Muder) geworden - Underclass Hero mal ausgenommen.

    Review trifft es auf den Kopf. Ihr Meisterstück wird Chuck bleiben, aber Order In Decline macht gute Laune.

    • Vor 5 Jahren

      Allein der Sprung von All Killer zu Infected fand ich krass. Während das eine noch Party Punk war gab es auf dem anderen schon Metal Elemente. Seit dem hab ich tatsächlich nichts mehr von ihnen gehört aber das hier werde ich mir mal anhören. Und ja Blink trauere ich immer noch hinter her.

  • Vor 2 Jahren

    so its the opposite to the offspring - they get more and more poppy with every albong